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Der neue Selige Charles de Foucauld, auf den sich die Kleinen Brüder/Schwestern Jesu berufen.

Darin besteht das Geheimnis meines Lebens. Ich habe mein Herz an diesen Jesus von Nazaret verloren, der vor neunzehnhundert Jahren gekreuzigt worden ist, und mein Leben ist nichts anderes als der Versuch, ihn so nachzuahmen, wie ich es in meiner Schwachheit vermag." (Charles de Foucauld an einen Jugendfreund)

Charles de Foucauld, der am 13. November in Rom selig gesprochen wird, war ein leidenschaftlicher Mensch: Es ist Leidenschaft in ihm, als er als Jugendlicher Stapel von philosophischen Büchern verschlingt. Leidenschaftlich suchte er das Glück im Vergnügen, Genuss, im Spaß. Mit Leidenschaft gibt er sich in das Abenteuer eines Feldzugs, in die Vorbereitungen zu seiner Forschungsreise, mit Hingabe tut er etwas, was vor ihm keiner getan hat. Als er Gott gefunden hat, sagt er mit der gleichen Leidenschaft wie bisher: Sobald ich glaubte, Gott existiere, wusste ich: Ich kann nicht anders, als ganz für ihn leben.

Suche nach den Wurzeln

Charles de Foucauld wurde am 15. September 1858 in Straßburg als ältester Sohn einer adeligen Familie geboren. Gerade sechs Jahre alt verliert er innerhalb eines Jahres beide Eltern. Mit seiner jüngeren Schwester Marie wuchs er in Nancy bei seinem Großvater auf.

Gemäß der Familientradition schlägt er die Militärlaufbahn ein. Mit 24 quittiert er aber den Militärdienst und macht sich zu einer Forschungsreise nach Marokko auf. Für seinen Reisebericht erhält er die Goldmedaille der Französischen Geografischen Gesellschaft. Seiner Karriere als Forscher sind Tür und Tor geöffnet. Doch er beginnt eine innere Forschungsreise: Beeindruckt vom Gebet der Muslime besann er sich seiner eigenen religiösen Wurzeln, des Christentums.

Mit 32 Jahren tritt Charles bei den Trappisten ein und lebt sieben Jahre lang als Trappistenbruder zunächst in Frankreich, dann in Syrien. Drei Jahre verbringt er als Hausbursche bei den Klarissen in Nazaret. Hier reift in ihm der Entschluss, Priester zu werden. Nach seiner Priesterweihe 1901 geht er ins algerische Béni Abbès. 1905 zieht er weiter in den Süden um den Tuaregs nahe zu sein. Er lebt einfach unter ihnen, und widmet sich besonders der Erforschung ihrer Sprache. Am 1. Dezember 1916 wird er während eines Überfalls erschossen.

"Heruntergekommener" Gott

In einer Predigt hört Charles de Foucauld einen Satz, der sich, wie er sagt, meiner Seele unauslöschlich eingeprägt hat: "Jesus hat den allerletzten Platz gewählt, den keiner ihm jemals streitig machen kann."

Gegen Ende 1888 unternimmt er eine Pilgerfahrt ins Heilige Land. In dem Land, in dem Jesus gelebt hat, wird Charles vom "umwerfenden Realismus der Menschwerdung" ergriffen. Er besucht Nazaret und entdeckte dort das demütige und verborgene Dasein Gottes als Handwerker in Nazaret. Dieses innere Erleben ist wie ein Schock für ihn, der seinen weiteren Lebensweg entscheidend beeinflussen wird.

Nazaret - kein idyllischer Ort

Alle Gemeinschaften, die sich an Charles de Foucauld orientieren, schöpfen aus der Quelle dieser Spiritualität von Nazaret. Und es ist immer wieder gut, genau hinzuschauen, was das meint: Nazaret ist kein idyllischer Ort, und meint kein harmonisches Zusammensein der heiligen Familie. "Gemäß dem Standard der Mächtigen war Nazaret eine unbedeutende Stadt, heidnisch und unheilig. Geografisch lag Nazaret an der Grenze zu Samarien, dessen Einwohner waren ein Mischvolk aus Juden und Nicht-Juden. Deshalb mieden die frommen und gerechten Juden den Kontakt mit diesem Land (Joh 4,9). Es war still um Nazaret, es fand keinerlei Erwähnung, hatte keine Bedeutung und keine Stimme in der Geschichte. Aber in den Augen Gottes war es eine besondere Stadt und wurde zum Ort der Inkarnation. Hier trat Gott in den Raum der Geschichte ein, und lebte 30 Jahre lang das einfache Leben eines Handwerkers ... Es ist leicht, ihn in dieser Einfachheit und Gewöhnlichkeit zu verfehlen." schreibt Emmanuel Asi in seinem Buch "Das menschliche Antlitz Gottes in Nazaret".

Die herausfordernden Fragen, die "Nazaret" stellt, sind: Warum wählte Jesus den Rand und nicht das Zentrum? Warum die Machtlosigkeit und nicht die Strukturen der Macht? Wo befinde ich mich: in Jerusalem oder in Galiläa? Im Zentrum oder am Rand? Bei den Mächtigen oder den Machtlosen?

Christsein in islamischer Welt

Schon während seiner Reise durch Marokko war Charles vom Islam sehr beeindruckt: Der Islam hat in mir eine starke Erschütterung hervorgerufen. Der Anblick dieser gläubigen Menschen, die fortwährend im Bewusstsein der Gegenwart Gottes leben, hat mich etwas erahnen lassen, was größer und wahrer ist als alle weltlichen Beschäftigungen. Ich fing an, zunächst den Islam zu erforschen, und studierte dann die Bibel.

Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er unter Muslimen, und in ihrer Mitte ist er auch gestorben.

Die verschiedenen Gemeinschaften, die sich auf Charles de Foucauld berufen, sehen diese besondere Hinwendung zu einem bestimmten Teil der Menschheit als sein Erbe an, und einige dieser Gemeinschaften sind ja ursprünglich in islamischen Ländern entstanden. Die Kleinen Schwestern Jesu haben beim Generalkapitel 1999 festgehalten, dass "die Gemeinschaft aus einer Begegnung mit dem Islam geboren ist".

Die Erfahrungen, die die Kleinen Schwestern in den verschiedenen Ländern machen, sind sehr unterschiedlich. Es hängt davon ab, ob sie als Christinnen in einem muslimischen Land empfangen, aufgenommen werden, wie in den Ländern Nordafrikas, ob man seit Jahrhunderten zusammenlebt, oder ob die "Christen" die Empfangenden, Aufnehmenden sind.

Nach dem 11. September 2001 haben die Kleinen Schwestern in den usa als Antwort auf dieses Ereignis eine Gemeinschaft in einem muslimischen Viertel gegründet. 2003 und 2004 hat es Treffen in Tre Fontane/Rom zum Thema Islam gegeben. Kleine Schwester Annie fasste ihre Eindrücke so zusammen: "Ich habe viel tiefer verstanden, dass unsere besondere Weihe für den Islam ein Plan Gottes für unsere Zeit ist, den er uns anvertraut hat. Denn die Treue zu dieser Intuition fordert uns heute heraus, selbst in extremen Situationen auszuharren. Ich denke an das Zeugnis der Kleinen Schwestern aus Algerien, dem Nahen Osten, Afghanistan, den Philippinen. Wir harren aus in der Geisteshaltung, die uns zu eigen ist, in der Haltung von Betlehem, im Klein-sein, in der Hingabe, im Umsonst-da-Sein, in der dargebotenen Freundschaft."

Foucauld'sche Spiritualität

Klein-Sein, Umsonst-da-Sein, die dargebotene Freundschaft, sind Wesensmerkmale einer Spiritualität, die sich am Leben Charles de Foucaulds inspiriert, die in der Kirche das Geheimnis der Menschwerdung Gottes immer neu lebendig halten möchte und dazu von dieser Kirche auch befähigt wird.

Die Autorin ist Mitglied der Kleinen Schwestern Jesu.

TIPP: Gemeinsam mit der Kleinen Schwester Maria Lydia gestaltet die Autorin das Seminar: Menschenbilder: Charles de Foucauld . Theologische Kurse, 1010 Wien, Stephansplatz 3

Freitag, 18. November 2005, 17-19 Uhr

Infos: www.theologischekurse.at, T 51552-3703 - Beitrag: e 10,-

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