Seit einiger Zeit scheint die sonst so florierende Wirtschaft Chinas an Dynamik zu verlieren. Zwar liegt das Wirtschaftswachstum Chinas noch deutlich über dem globalen Wert von drei Prozent, doch ist das Wachstum seit 2010 im Sinken. Lag es vor wenigen Jahren noch im zweistelligen Bereich, so waren es im letzten Jahr nur mehr 6,8 Prozent. Auch für das Jahr 2016 prognostizieren Experten keinen Anstieg. China werde unter sieben Prozent bleiben. "Sieben Prozent ist eine Zahl, von der Europa und die USA nur träumen können", meint Marcus Scheiblecker, stellvertretender Leiter des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung. Der Abstieg sei ein ganz natürlicher Prozess, oder Reifeprozess, wie er ihn nennt. So würde das Wachstum sich einpendeln und langsam drei bis vier Prozent erreichen.
Ab den 1990ern sei die Wirtschaft Chinas immer um ca. acht Prozent gewachsen. Geht man von internationalen Statistiken aus, lässt sich erkennen, dass fast alle Länder, die ähnlich hohes Wachstum wie China aufweisen, Entwicklungsländer sind. In den USA, Deutschland oder auch Österreich bewegen sich die Zahlen nicht über vier Prozent. "China machte einen hohen Aufholprozess durch. Anders als andere Schwellenlän der wies die Volksrepublik eine hohe Sparquote auf, die Schulden waren gering", so Scheiblecker. Dadurch konnte sich China gut im internationalen Markt etablieren. Das Land achtete zudem auch stets darauf, seine Währung abzuwerten, um so wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch seit letztem Jahr stemme sich China nicht mehr gegen eine Aufwertung. Das sei ein Anzeichen dafür, dass sich etwas verändere.
Förderung der Binnenkonjunktur
Chinas Hoch musste einmal zu Ende gehen. "Ein Reifeprozess geht mit Imbalance einher. Regionen, Gemeinden und Unternehmen verschulden sich. Meistens erfolgt so ein Wachstumsabfall leider nicht langsam, sondern sehr plötzlich und ist mit massiven Insolvenzen verbunden. So ein Szenario kann niemand für China prognostizieren, es ist nur bekannt, dass eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums meistens mit solchen Umständen verbunden ist."
So könnte es beispielsweise zu einem Wachstumsstillstand kommen. Schon im Jahr 2008 fiel die Wachstumsrate von 14,1 auf 9,6 Prozent. Auch Wachstumsraten um drei oder vier Prozent hält der WIFO-Experte für nicht ausgeschlossen. "Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Das sind nur konjunkturelle Schwankungen, das Wachstum würde sich schnell wieder erholen", ist er überzeugt.
Nun geht es um ein Umdenken in Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die extrem auf Export ausgerichtete Wirtschaft Chinas hat bisher den Binnenkonsum vernachlässigt. Hier will man künftig den Hebel ansetzen. Die Regierung plant, die Konzentration stärker auf den inländischen Konsum auszurichten. Dies soll auch zur Stabilisierung beitragen, wenn Einkommenssteigerungen ausbleiben.
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