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Friedensdienst — Präsenzdienst

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Mit Freude kann man feststellen, daß sich die Idee des Entwicklungsdienstes, der ja ein Dienst am Nächsten und somit ein christlicher Imperativ ist, weltweit durchgesetzt hat Im Rahmen dieser verschiedenartigen Förderungsmaßnahmen für Entwicklungsländer kommt dem Dienst von Entwicklungshelfern ganz besondere Bedeutung zu. Besonders für ein kleines und materiell nicht investitionsstarkes Land wie Österreich bedeutet diese personale Hilfe die einzig mögliche und zugleich beste Form unserer Entwicklungshilfe.

Diese Personen erfüllen mit ihrem freiwillig übernommenen Dienst fern der Heimat die wichtige Aufgabe, durch beispielgebende Berufsausübung in diesen Entwicklungsländern Kräfte und Fähigkeiten zur Selbstentfaltwng zu weaken und damit einen wesentlichen Anstoß zur Selbstentfaltung zu geben. Für diesen Dienst eignen sich nur berufstüchtige und wohlvorbereitete Fachkräfte, die neben ihrem Idealismus auch eine persönliche Eignung und ein ausreichendes Maß an Reife besitzen müssen (Mindestalter 21 Jahre). Obwohl diese Entwicklungshelfer durch ihren Dienst zugleich auch viele Erfahrungen für die eigene Fortbildung gewinnen, indem sie Lebensweise und Kultur ferner Länder kennenlernen und sich in ungewöhnlichen Lebenslagen persönlich und beruflich bewähren müssen, entscheiden sich doch nur relativ wenige, diesen Dienst auf sich zu nehmen.

Ein Grund dafür liegt darin, daß viele qualifizierte Bewerber, die bereits ihren Präsenzdienst geleistet haben, nur deshalb nicht für die Idee eines Entwicklungshelferdienstes gewonnen werden können, weil ihnen die Zeit der Ausgliederung aus dem Arbeitsprozeß (zunächst Präsenzdienst, dann Ausbildung für den Entwicklungsdienst und anschließend mindestens 24 Monate Einsatz) aus Gründen des beruflichen Fortkommens als zu lang erscheint.

Deshalb sollte — und diese Anregung wurde an höchster Stelle vorgetragen — ein ziviler Ersatzdienst eingeführt werden. Dabei sollte gesetzlich festgelegt werden, daß 1. solche Präsenzdienstpflichtige, die für einen Dienst in Entwicklungsländern vorgesehen sind und eine entsprechende Ausbildung erfahren, bis zur Vollendung ihres 21. Lebensjahres nicht zum Präsenzdienst herangezogen werden,, und 2. solche Präsenzdienstpflichtige, die mindestens zwei Jahre Entwicklungsdienst geleistet haben, keinen Wehrdienst mehr zu leisten brauchen, weil sie in adäquater Weise eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe erfüllt haben.

Durch die Verabschiedung eines solchen Gesetzes hätten wir Österreicher, die wir den allgemeinen großen Entwicklungen häufig ein wenig nachzuhinken pflegen, wieder etwas Terrain aufholen können gegenüber anderen Staaten, die entsprechende Gesetze und Verordnungen schon in Kraft haben wie etwa Belgien, Frankreich (dort fällt der Entwicklungsdienst überhaupt in den Kompetenzbereich des Militärs), Italien, Niederlande; seit wenigen Monaten besitzt auch die deutsche Bundesrepublik ein Entwicklungshelfergesetz.

Zeugnis für Österreich

Dazu ist es aber bei uns noch nicht gekommen, obwohl es an Vorschlägen und privaten Initiativanträgen nicht gemangelt hat. Wir haben noch immer kein solches Gesetz, nicht weil sich die Einwände seitens des Ministeriums für Landesverteidigung (etwa: Abwertung der Idee des Wehrdienstes, Verringerung der Zahl der Präsenzdiener) als zu schwerwiegend erwiesen hätten, diese sind nämlich leichter, als man annimmt, zu entkräften. Etwa, was die Zahl der Entwicklungshelfer betrifft: diese bleibt ja in der Tat, weil die Anzahl der beschickten Projekte aus finanziellen Gründen sehr gering ist, in einem sehr kleinen Rahmen und fällt prozentmäßig überhaupt nicht ins Gewicht (kaum 0,5 Prozent der jeweils Präsenzdienstpflichtigen).

Das Entwicklungshelfer-Gesetz fehlt

Und was eine eventuelle Abwertung des Wehrdienstgedankens anbelangt, ist nach bisherigen Erfahrungen eher das Gegenteil eingetreten: Der Präsenzdienst erfährt dadurch in seiner Interpretation eine Bereicherung. Es gibt übrigens bei unserem Bundesheer bereits Parallelen in dieser Richtung. (Unser Sawi- tätskontingent für Afrika war ja auch eine Art von Entwicklungshilfe.) Durch ihr Wirken im Dienste des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit tragen die Entwicklungshelfer den Namen unseres Vaterlandes in die Welt hinaus, repräsentieren Österreich .auf fernen Kontinenten, legen ein sichtbares Zeugnis ab für Österreichs Aufbauwillen einer friedvollen Welt des Fortschrittes und der partnerschaftlichen Zusammenarbeit und leisten damit in höchstem Maße eine ideelle Landesverteidigung.

Daran ändert auch das Gekläffe einiger Ewig-Gestriger nichts, die eine Gleichstellung von Soldat und Entwicklungshelfer als „pazifistische Anschmeißerei” („Wiener Montag”, 11. März 1968) ablehnen, und für die ein Dienst mit der Waffe höher steht als ein Dienst am Menschen.

Warum aber haben wir noch immer kein entsprechendes Entwicklungshelfergesetz? Die Antwort darauf ist in einer Erklärung des Ministers für Landesverteidigung, Dr. Prader, zu suchen, der ausführte, daß in diesem Falle die bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichen, weil ohnedies Personen, deren Tätigkeit von öffentlichem Interesse sei, vom Präsenzdienst freigestellt werden könnten. Das scheint auf den ersten Blick einleuchtend, birgt aber einen Pferdefuß in sich.

Eine Lösung

Wer sich für den Entwicklungshelferdienst entscheidet, wird vom Präsenzdienst freigestellt. Soweit, so gut. In dem Augenblick aber, in dem der Entwicklungshelfer mit seinen 23 oder 25 Jahren wieder, in der Heimat ist, erlischt ja das „öffentliche Interesse”, dessentwegen er freigestellt worden war, und er kann jederzeit den Einberufungsbefehl erhalten, weil die alte Verpflichtung ja wieder auflebt. Dieser „Lösungisver- such” mit Hilfe der bestehenden Gesetze ist also unbefriedigend. Abgesehen davon gilt eine solche Befreiung nur für den ordentlichen, nicht aber für den außerordentlichen Präsenzdienst. Im Falle eines echten, großen Einsatzes würden diese ehemaligen Entwicklungshelfer ebenfalls, obwohl sie keine Ausbildung erfahren haben, eimberufen werden.

Wie könnte nun eine Lösung aus- sehen?

Man müßte sich eindeutig entscheiden. Entweder man schafft einen echten Alternativdienst, das heißt man befreit Präsenzdienstpflichtige, die Entwicklungsdienst leisten, gänzlich vom Wehrdienst , oder man führt einen etwa drei , Monate dauernden Grundwehrdienst ein für alle, egal, ob sie Entwicklungshelfer oder einen sonstigen Sozialdienst, also einen Friedensdienst, leisten. Dafür würde sich der Paragraph 28,4 ambieten,

demzufolge die Dauer des Präsenzdienstes verkürzt werden, kann. Er gilt derzeit für alle jene, die das 28. Lebensjahr schon vollendet haben, und brauchte nur auf die Entwicklungshelfer ausgedehnt zu werden.

Jedenfalls wäre es sehr zu begrüßen, wenn bald etwas unternommen würde, damit auch für unser Land die Worte Papst Paul VI. ihre Berechtigung hätten, mit denen er in seiner Enzyklika „Populorum progressio” diese Entwicklung in Richtung Friedensdienst willkommen heißt: „Wir freuen uns zu hören, daß in manchen Nationen der Militärdienst zum Teil als Sozialdienst… geleistet werden kann.”

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