6638806-1957_32_06.jpg
Digital In Arbeit

Indiens Kommunisten sind nicht besser

Werbung
Werbung
Werbung

Bombay, Ende Juli 1957 Die indische Provinz Kerala (in Malabar, Südindien) hat seit den letzten Wahlen zu Anfang dieses Jahres eine kommunistische Regierung. Die christliche Welt ist am Schicksal Keralas besonders interessiert, da mehr als ein Drittel aller Bewohner von Kerala christlich sind.

Es war zu erwarten, daß die kommunistische Regierung Keralas bald zu einem Angriff gegen das Christentum vorgehen würde. Das geschieht nun mit einem Gesetzesentwurf für eine neue Erziehungspolitik, den, wie verlautbart, der (früher katholische) Erziehungsminister Joseph Mundassery in der Gesetzgebenden Versammlung Keralas einbringen will. Der Erziehungsminister, ehemaliger Professor an einem katholischen Kolleg, weiß recht gut, wo das Christentum am empfindlichsten getroffen werden kann. Die christlichen Bekenntnisse, katholische wie protestantische, haben unter großen finanziellen Opfern ein groß angelegtes Schulsystem aufgebaut und dazu beigetragen, daß Kerala heute in Schulbildung allen anderen Staaten und Provinzen voraus ist. Natürlich haben sich die christlichen Bekenntnisse dadurch auch einen Einfluß erworben, der über ihre numerische Minorität hinausreicht. Es ist nun hier, daß die kommunistische Regierung das Brecheisen ansetzt.

Der neue Erziehungsakt wurde gut vorbereitet. Zuerst wurde durch eine Regierungsverordnung die kostenlose Schulbildung für die Primarschulen eingeführt. Dadurch sucht die Regierung die Eltern der Schulkinder zu gewinnen. Sie triffjį zugleich auch die Privatschulen, denen so ein guter Teil ihrer Einkünfte entzogen wird. Als weitere Maßnahme wurde der Gehalt der Lehrer erheblich erhöht. Dadurch wurden die Lehrer gewonnen: und wieder wurden die

Privatschulen getroffen, die ja nun auch die Gehälter ihrer Lehrer erhöhen müssen. Nach dieser Vorbereitung soll nun der neue „Erziehungsakt” kommen, der ganz radikale Veränderungen im Erziehungssystem Keralas vorsieht.

Noch hat der Erziehungsminister nicht alle Einzelheiten des neuen Gesetzes bekanntgegeben. Aber was er bisher davon veröffentlicht hat, macht es klar, daß es Absicht der Regierung ist, allmählich alle Privatschulen zu verstaatlichen und besonders allen erzieherischen Einfluß der Religionsgemeinschaften auszuschließen. Zwar . wird die Existenz von Privatschulen in dem Akt’ noch durch die Klausel garantiert, die besagt, daß die Regierung „jedweder erzieherischen Genossenschaft erlaubt, Schulen zu eröffnen und weiterzuführen” und weiterhin, daß die Regierung „das Recht hat, irgendwelche Schulen anzuerkennen, die schon bestehen und von irgendeiner Genossenschaft geführt werden”. Doch räumt § 17 des vorgesehenen Gesetzes der Regierung das Recht ein, alle Schulen zu verstaatlichen, die vom Staate anerkannt sind, ob sie nun vom Staat eine finanzielle Unterstützung erhalten oder nicht. Bei der staatlichen Ueber- nahme soll dem Eigentümer der Schule eine Entschädigung bezahlt werden, die dem Marktpreis des Eigentums entspricht. Das Gesetz begründet diese Maßnahme damit, daß der Staat das Recht haben muß, die allgemeine Schulbildung in allen Zweigen der Erziehung zu vereinheitlichen und zu kontrollieren. Damit ist nun nicht gesagt, daß die Regierung jede Privatschule sofort verstaatlichen wird; doch reservierf sie sich das legale Recht dazu. Natürlich wird die Abfindungssumme auch von einem behördlichen Schatzmeister festgesetzt.

Derselbe Paragraph gibt der Regierung auch das Recht, das Erziehungsprogramm der Privatschulen in ihrem Sinne zu dirigieren. Sie wird gewiß Sorge tragen, daß die neuen Richtlinien den kommunistischen Prinzipien entsprechen. Sollten die Privaterziehungsanstalten diese Richtlinien nicht befolgen, weil sie ihren Grundsätzen und Traditionen widersprechen, so wird die Regierung das Recht haben, solche Schulen zu beschlagnahmen.

Ein weiterer Schritt zur Verstaatlichung der Privatschulen ist der, daß das neue Gesetz vorsieht, das Gehalt der Lehrer in den staatlich unterstützten Schulen solle nicht mehr von der Schulleitung ausbezahlt werden, sondern direkt vom Staat. Diese Summe wird natürlich von der Gesamtunterstützung, die der Schule zusteht, abgezogen. Es ist klar, daß durch diese Maßnahmen die Lehrer dem Einfluß der Schulleitungen entzogen werden sollen.

Das neue Gesetz geht aber noch weiter. Es beschränkt ganz erheblich die Freiheit der Schulleitungen, neue Lehrer anzustellen. Die Regierung hat vor, Lokalkommissionen einzusetzen, die den jeweiligen Schulleitern eine Liste von Kandidaten vorlegen, aus denen dann neue Lehrer ausgewählt werden können. Die Regierung wird natürlich dafür sorgen, daß Kommunisten in diesen Kommissionen sitzen und hauptsächlich solche Personen als Lehrer vorschlagen, die mit dem Kommunismus sympathisieren. Wie in anderen kommunistischen Ländern, wird man in Zukunft auch in Kerala weniger Wert darauf legen, oja die Lehrkandidaten in ihrem Beruf tüchtig sind, sondern ob sie politisch einwandfrei sind. Sollte dadurch der gute Ruf einer Schule und die Disziplin leiden, so wäre das nur ein Grund mehr, um sie wegen Unfähigkeit der Leitung zu verstaatlichen. Jedenfalls wird die kommunistische Regierung durch diese Maßnahme die Möglichkeit in die Hand bekommen, in den christlichen Schulen kommunistische, antichristliche und atheistische Lehrer anzustellen und so eine christliche Erziehung der Jugend unmöglich zu machen.

Das neue Gesetz sieht weiter eine strenge Kontrolle und Beaufsichtigung der Privatschulen vor. Sollte ein Schulleiter dem Inspektor eine falsche oder unkorrekte Angabe über das Vermögen der Schule machen, so kann er mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bis zu 1000 Rupien (etwa 5000 Schilling) oder beiden bestraft werden.

§ 31 verordnet überdies, daß jeder Beschluß der Erziehungsbehörden sofort und unmittelbar in Kraft tritt und nicht suspendiert werden kann, selbst wenn die davon betroffenen Stellen an eine höhere Instanz appellieren.

Es ist klar, daß das geplante Erziehungsgesetz, sollte es von der Gesetzgebenden Versammlung Keralas angenommen werden, einen schweren Schlag gegen die Freiheit der christlichen Erziehung bedeutet. Die Christen haben diese Gefahr wohl erkannt. Die katholische Bischofskonferenz von Kerala, wie auch die Jakobiten und Protestanten haben lebhaft gegen das neue Gesetz protestiert; in vielen Versammlungen wurden die Christen über die neue Gefahr aufgeklärt und Protesttelegramme an die Zentralrcgierung gesandt. Trotzdem besteht große Gefahr, daß dieser Gesetzentwurf von der Gesetzgebenden Versammlung Keralas angenommen wird. Die Kommunisten haben ja in der Gesetzgebenden Versammlung die absolute Mehrheit und ihre gute Disziplin wird dafür sorgen, daß sie bei der Abstimmung über dieses Gesetz vollzählig anwesend sind und für die Annahme des Gesetzentwurfes stimmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung