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Aus Sicherheitsgründen wird der Schnürboden umgebaut

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Seit ersten Juli ist das Wiener Burgtheater zur Großbaustelle geworden; im Bühnenbereich haben umfangreiche Bauarbeiten begonnen, die bis in den November fortdauern werden. Da für die Monate September und Oktober 1995 kein entsprechendes Ausweichquartier für den regulären Bühnenbetrieb gefunden werden konnte, sind die nächsten Vorstellungen im Burgtheater erst für November geplant. Ab Anfang Oktober soll bereits der Probenbetrieb möglich sein.

Trotz der Brandkatastrophe im Wiener Burgtheater im Jahr 1945 konnte beim Wiederaufbau ein großer Teil der Dach-Tragkonstruktion des Altbestandes von 1888 wiederverwertet werden. Dies war möglich, da wegen des fehlenden Löschwassers die Stahlkonstruktion des Bühnenhauses langsam erkalten konnte.

„Aufgrund dieser Sparmaßnahmen beim Wiederaufbau ist es heute nicht möglich, exakt zu sagen, wie hoch die Belastungsfähigkeit dieser besonders im Dach- und Schnurbodenbereich eingebauten Träger ist”, meint der dafür zuständige Bühneninspektor Heinz Filar. Den damaligen Sicherheitsbestimmungen entsprechend wurden nur vereinzelt neue Gitterträger eingezogen, sodaß heutige Bau- und Sicherheitsvorschriften in keiner Weise erfüllt werden. Somit ist ein Umbau des Schnürbodens, der in der Dachkonstruktion integriert ist, notwendig geworden.

Sehr anschaulich zeigt Filar die Funktionen des Schnürbodens auf: „Er besteht aus Zügen für die Traglatten der Dekorationen und der Beleuchtung.” Diese Züge - 111 an der Zahl - sind im Burgtheater ständig im Betrieb, da es an diesem Haus keine Seitenbühnen und nur eine sehr kleine Hinterbühne gibt, und so Umbauten primär nur nach oben oder in die Unterbühne hin möglich sind. Bisher waren diese Lattenzüge als Gegengewichtszüge in Betrieb, „das heißt, daß jeder einzelne Kilo an Dekoration, den Sie in die Latte einhängen, wie zu Hause bei einer Küchenwaage eins zu eins von Menschenhand her ausgekontert (Anm. d. Bed.: austariert) werden muß.”

Im heutigen Bühnenbetrieb seien Dekorationsteile mit einem Gewicht von ein bis zwei Tonnen keine Seltenheit, die von den Schnürbodenarbeitern bisher händisch bewegt werden mußten, sodaß diese Bühnenarbeiter des Burgtheaters bisher bereits gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt waren. Das technische

Betriebsbüro konnte in den letzten, Jahren eine signifikante Häufung an Bandscheibenschäden nachweisen. Durch den Umbau auf eine hydraulische Steuerung könnten sowohl diese Berufskrankheit als auch die für die Bundestheater teuren Überstunden des technischen Personals eingeschränkt werden. Nach dem Umbau wird voraussichtlich das Schnürbodenpersonal von 21 Mann auf 15 reduziert.

„Eine - kostspieligere - hydraulische Steuerung ist aber auch deswegen notwendig, weil die Geräuschentwicklung im Unterschied zu einer nur von Elekromotoren betriebenen Steuerungviel geringer ist. Im Sprechtheater sollte möglichst kein ,Lärm-vorhang' vorhanden sein, da Bühnengeräusche nicht wie im Opernbetrieb von der Orchestermusik zugedeckt werden”, sagt Filar.

„Der gesamte Umbau beschränkt sich zunächst nur auf den Schnürboden, aus Kostengründen muß der geplante Umbau von Galerie und Mittelrang zurückgestellt werden.” Dennoch werden künftige Umbauten bereits vorgeplant: „Die neue Hydraulik-Zentrale wurde bereits so ausgelegt, daß die Orchesterpodien auch einmal hydraulisch gesteuert werden können.”

„Das Bestreben der Techniker des Burgtheaters ist es, mit der modernisierten Bühnentechnik besser und effizienter zu arbeiten, denn dafür ist die Anlage ja ausgelegt”, meint Inspektor Filar. Ob vielleicht Schließtage deswegen eingespart werden können, wagt niemand zu prophezeien - immerhin muß jetzt einmal die Frist für die Wiedereröffnung Anfang November eingehalten werden.

Am Umbau sind ausschließlich österreichische Firmen (unter anderem Waagner-Biro, Siemens AG Österreich) beteiligt, die alle bereits große Erfahrung im Bühnenbau vorzuweisen haben. Auch bereits beim Wiederaufbau des Burgtheaters 1945 bis 1955 haben diese Firmen mitgewirkt. Das Gesamtauftragsvolumen beträgt etwa 125 Millionen Schilling und ist der größte Finanzposten, der dem Burgtheater seit dem Wiederaufbau zugute gekommen ist. Vierzig Jahre nach der Wiedereröffnung im November 1955 ist dies wohl auch bitter nötig.

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