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Frauen helfen

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Man schrieb Herbst 1965. Eine beispiellose Serie von Hochwasserkatastrophen, Erdrutschen und Muren erschütterte Österreich. Innerhalb von wenigen Tagen wurden tausende Familien obdachlos. Damals erwies sich wieder einmal die alte Erfahrung als richtig, daß auch in einem Land mit einer vorbildlichen Sozialgesetzgebung den öffentlichen Stellen einfach die notwendige Flexibilität fehlt, um Menschen, die von schweren Naturkatastrophen heimgesucht wurden, Soforthilfe zu leisten. Der Mangel an gesetzlichen Handhaben für Sofortmaßnahmen führt zu Wartezeiten, die nur durch private Hilfe überbrückt werden können. Und ein echter Ersatz der erlittenen Schäden von Staats wegen kommt ohnehin nicht in Frage.

Die beispiellosen Naturkatastrophen des Herbstes 1965 führten zu einer ebenso beispiellosen Mobilisierung der Privatinitiative in Sachen Nächstenliebe. Seit damals gibt es die Katastrophenhilfe österreichischer Frauen (KÖF). Eine Institution, die von Frau Elisabeth Schmitz-Mayr-Harting in der Stunde der Not gegründet wurde und sich seither Jahr für Jahr bewährt, wenn unvorhersehbare Naturereignisse Menschenleben vernichten, Menschen obdachlos machen, Menschen des Nötigsten berauben. In dieser Zeit, in der soviel Negatives zu berichten ist, daß man manchmal den Eindruck gewinnen kann, es geschehe überhaupt nur Negatives auf dieser Welt, ist es um so erfreulicher, über ein solches Werk der Nächstenliebe berichten zu können.

Die Liste der Katastrophenfälle, in denen die Katastrophenhilfe österreichischer Frauen tätig wurde, beginnt mit der Zerstörung eines bäuerlichen Anwesens in Kukmirn, Burgenland, durch eine Mure und der Verwüstung der Ortschaft Döl-lach im Kärntner Mölltal (beide Ereignisse 1965). Es ging weiter mit dem Kärntner Hochwasser und der Unwetterkatastrophe von Zell am See im folgenden Jahr. 1967 richtete ein Orkan in Kirchbichl bei Kufstein (Tirol) schwere Schäden an. 1968 erlebte Vorarlberg eine schwere Lawinenkatastrophe, die zwei Häuser vollkommen vernichtete; andere Häuser blieben zwar stehen, doch durchschlug die Lawine ihre Rückwände und eindringende Baumstämme und Schnee zertrümmerten die Einrichtungsgegenstände. Heuer konnte die Katastrophenhilfe österreichischer Frauen nach der Brandkatastrophe von Zams/Falterschein in Tirol und nach der Unwetterkatastrophe in der Steiermark helfend einspringen.

Dies nur ein kleiner Ausschnitt aus der Gesamtbilanz einer Aktion im Dienste des notleidenden Nächsten, die bisher Spenden in der Höhe von 24,5 Millionen Schilling aufgebracht und an 12.500 von Natur- und Lebenskatastrophen schwer heimgesuchte Familien weitergeleitet hat. Allein im Unwettersonimer dieses Jahres konnten an rund 200 Familien 900.000 Schilling ausgezahlt werden.

Das Geld stammt von tausenden Spendern, großen, kleinen und ganz kleinen, und in der Spenderkartei finden sich die Namen bekannter österreichischer Industrieller neben dem eines 90 Jahre alten, blinden Pensionisten oder neben den Namen der Insassen eines Wiener Altersheimes, die zwei alleinstehenden Frauen, die durch einen Erdrutsch im Burgenland ihr Heim verloren hatten, wieder zu einem Dach über dem Kopf verhalfen. Eine niederösterreichische Hauptschule betreut eine nach einem Lawinenabgang obdachlose Vorarlberger Hilfsarbeiterfa-milie mit sieben Kindern. Befreundete Institutionen helfen mit, zum Beispiel katholische Druk-kereien, welche die KÖF-Weih-nachtskarten zum Selbstkostenpreis drucken. Diese Weihnachtskarten werden mit der Bitte um Spenden in nächster Zeit zum sechsten Mal versandt. Dank verbindet sich mit der Bitte um weitere Hilfe an das Postsparkassenkonto 8000 — Katastrophenhilfe österreichischer Frauen (Erlagscheine auf jedem Postarnt). Die Weiterleitung der Spenden geschieht im Katastrophenfall ohne bürokratische Hemmnisse, die Vorgangsweise ist so, daß entweder Frau Dr. Schmitz-Mayr-Harting oder die betreffende Landesleiterin die Spende in Anwesenheit von Bürgermeister, Pfarrer oder mehreren Gemeinderäten, die als Zeugen mit unterzeichnen, übergibt. Wobei stets auch die Arbeit lawinenartig anzufallen pflegt. Ohne eine Schar freiwilliger, ehrenamtlicher Helferinnen, die zu groß ist, um hier im einzelnen genannt zu werden, aber eine erhebliche Arbeitslast auf sich nimmt, wäre die Arbeit der Katastrophenhilfe österreichischer Frauen auf keinen Fall aufrechtzuerhalten.

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