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Neues Seelsorgekonzept in der Stadt

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Aber was soll nun ein Pfarrer tun, der einer derart unangepaßten Institution verpflichtet ist und genau sieht, daß er nicht imstande sein kann, „die Seinen zu kennen“ und sie zur Gemeinde Christi zusammenzurufen! (Vielleicht merken in der Fülle der Arbeit manche Seelsorger gar nicht, wie weit sie hinter den Möglichkeiten zurückbleiben!)

• So schlagen wir also vor: Die Kirche muß sich organisationsmäßig dem Phänomen „Stadt“ stellen. Das scheint uns nur möglich, wenn wir die Stadt selbst als Einheit kirchlichen Lebens zu institutionalisieren:

• Jede Stadt, vor allem aber die Mittel- und Großstadt, müßte eine eigene „Region“ bilden. Ihr wäre die Diözese übergeordnet, die gesamte Seelsorge innerhalb des Bereiches der Stadt aber untergeordnet.

• Ein Generalvikar (oder Stadt-dechant) mit organisatorischen, jurisdiktionellen und finanziellen Vollmachten müßte für die Seelsorge in der Stadt verantwortlich sein.

• Diese Organisationsform könnte die Stadtkirche heißen; unter diesem Begriff wird gegenwärtig im deutschen und französischen Raum das Thema diskutiert. Grundsätzlich

teilt sich die Seelsorge der Stadtkirche in zwei Weisen — territorial-pfarrlich und funktional-überpfarr-Mch.

• Die Pfarre hätte alle Funktionen zu übernehmen, die vom Wohngebiet her begünstigt und erfordert sind:

Familiensorge; nachgehende Seelsorge, soweit sie mit dem konstanten Freizeitraum des Wohngebietes zusammenhängt; alle Möglichkeiten der konkreten Nachbarschaft, des Stadtviertels, des vorwiegenden Milieus der Pfarre; konstante Gottesdienststätten und Gottesdienstmöglichkeiten; Integrierung verschiedener menschlicher Unterschiede und sozialer Positionen zur einen Gemeinde der Kirche; Grundraster kirchlicher Verwaltung; milieutypische Ausprägungen (Arbeiterpfarre usw.).

• Die Stadtkirche müßte subsidiär für die territoriale konkrete Gemeinde der Pfarre und darüber hinaus für viele nicht territoriale und variablere Formen der Gemeinbildung folgende Aufgaben übernehmen:

Alle Formen der Massenseelsorge (Kirchenzeitung, Glaubensinforma-

tion, Bildungswerk, Funk, Fernsehen, Großveranstaltungen usw.); Spitalsseelsorge; Studenten-„ Akademikerseelsorge; Fremdenverkehrsseelsorge; Konvertitenseminaire; Tauf-, Eheseminare; Telephonseelsorge; Jugendseelsorge (soweit sie über die Möglichkeiten der Pfarre geht); Katholische Aktion, Schule, Caritas; Verbandsmäßige Eigengruppierungen (Bewegungen, Orden, Säkularinstitute) usw; Koordinierung aller seelsorgiichen Initiativen; beständige seelsorgliche Überlegung, Information, Kommunikation unter den Christen der Stadt. Erstellung eines Seelsorgekonzeptes, Personalpostenplanes, Schwerpunktprogram-mes basierend auf soliden soziologi-

schen, theologischen Untersuchun-

gen. . ..',.•>;,. I l

• Dies setzt voraus, daß neue Wege der Kommunikation geschaffen werden. Eine Art Pastoralrat müßte aus Priestern und Laien in jeder Pfarre existieren, ebenso auf der Ebene des Dekanates (oder der Seelsorgezone), ebenso bei der Führungsspitze der Stadtkirche. Die funktionalen Bereiche (Schule usw.) hätten auch entsprechend vorzugehen. Dieser Pastoiralrat ist der entscheidendste Faktor bei Umstrukturierung und Neubelebung der Stadtseelsorge durch die Stadtkirche. Die Weisungen der Stadtkirche sind in kollektiver Wahrheitsfindung (Diskussion, Anregung, Kritik, Experiment) entstanden und binden hauptsächlich dem Sinne nach. Sie sollten Rahmenverfügungen sein, die durch den Dekanatspastoralrat und den Pfarr-pastoralrat entsprechend der konkreten Situation gefiltert werden — wobei die beständige gemeinsame Überlegung und Verantwortung zu echter Lebendigkeit führen muß. Es sollte ein solches Pastoralgremium die Zahl von 20 Mitgliedern nicht überschreiten.

Selbstverständlich setzt dies alles eine Neuüberlegung bezüglich der Pfarrgrenzen voraus, die auch die notwendigen Sulbstruktuiren der Pfarre miteinschließen muß (Wohnviertel). Eine Überprüfung der Dekanatsgrenzen, eine Einteilung speziell der Großstadt Wien in Seelsorgezonen (in denen das typische Milieu mitberücksichltigt ist) wurde bereits im Entwurf für die Diözesansynode bereitgestellt.

Spiritualität der Stadtgemeinde

Das Projekt der Stadtkirche ist nicht nur eine organisatorische Variante zur augenblicklichen Situation, sondern setzt eine Spiritualität voraus, die um die konkreten Lebensformen und Möglichkeiten Urbanen Lebens weiß, die kirchliches Leben als Auftrag zu immer neuer Verwirklichung des Evangeliums in Liebe zum Menschen und seiner Situation versteht, die bereit ist, Vertrautes und Gewohntes zu verlassen, um diesem Auftrag gerecht zu werden, die in echter Kollegialität Verantwortung tragen will und sich unterzuordnen weiß, die die Mühe und Plage um die zeitgemäße Form kirchlicher Strukturen als Ausweis der Ehrlichkeit versteht, mit der der „Knecht mit den Talenten wuchern“ muß, bis der Herr wiederkommt.

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