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Utopie und Spielzeugschachtel

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Das Stedtbauamt stellt io seinen Vorräumen (Neues Rathaus, Stiege 4) Projekte und Modelle zur architektonischen Um- und Neugestaltung des Wiener Stadtbildes aus. Einen Teil der Exponate hat man schon gesehen, ein anderer wird den Besuchern der Ausstellung neu 6ein. So etwa das großzügige und in der Tat großstädtisch anmutende Modell einer Stadtbahnumsteige- station am Margaretengürtel, die freilich erst gebaut werden wird, wenn einmal der Traum von einer Stadtbahnlinie in die südlichen Vorstädte realisiert werden kann — (vielleicht könnte in der Zwischenzeit wenigstens die bereits bestehende Stadtbahnstation Hietzing in enger Zusammenarbeit zwischen Stadtbauamt und Städtischen Verkehrsbüros in jenen Zustand versetzt werden, der dem Sonntagsverkehr einigermaßen entspräche?) Ein anderes, ziemlich großes Modell schlägt eine Verbauung der Ruprechtskirche mit Häusern vor, die stilistisch sehr glücklich den übrigen Bauten entlang des Franz-Jo6efs-Kais angepaßt sind — insoferne nämlich, als sie sich von dem Fassadenstil der späten Gründerzeit nur durch Vermeidung allzu üppigen Gesimseschmuckes unterscheiden. Wiederum ein anderes Projekt wünscht die Errichtung von Grünflächen auf dem Areal des heutigen Allgemeinen Krankenhauses und den Neubau eines Hochspitals am Währinger Gürtel, der seinerseits durch eine neue Schnellverkehrsstraße mit der Lastenstraße verbunden werden soll — auch das wäre gewiß sehr wünschenswert, ist aber zu schön, um in absehbarer Mt waihr au werden. Ausgezeichnet die vorgeschlagenen Lösungen für Unterfahrungen von Kreuzungen und dergleichen: man hat das angenehme Gefühl, daß sie keine Wunschträume sind.

Im Jahre 1937 gab es in Österreich 117.128 motorisierte Fahrzeuge. Im Jahre 1951 waren es 268.314. Diese Ziffer ist nicht sehr hoch: wenn die drakonischen Beschränkungen, die dem Kraftfahrzeughandel auferlegt sind, eines Tages aufgehoben werden sollten, wird sie sich um das Mehrfache erhöhen. Und dann wird nicht-nur Wien ein verkehrstechnisches Chaos erieben, gegen des die jetztigen, leicht verwirrten Zustände eine Idylle sein dürften, dann werden auch die VeTkehrstechndker außerhalb der Großstadt vor neuen Problemen stehen — und daher ist die Initiative des Wirtschaftsförderungsinstituts der nieder- österreichischen Handelskammer, der ein Wettbewerb für Tankstellen, Rasthäuser usw. zu danken iet, höchst 6chätzenswertj sie bleibt es, auch wenn die Wettbewerbserfolge — zu sehen in der Sezession — einigermaßen bescheiden sind. Es ist nun einmal so, daß die Form einer .Großtankstelle mit Rasthaus nicht ohne weiteres aus den Bauelementen eines niederösterreichischen Bauernhauses abzuleiten ist. Natürlich, kaschieren läßt sich alles, auch eine Tankstelle. Aber der Effekt wird nicht viel besser sein als bei jenen Gaslaternen, die das vorige Jahrhundert verschämt ate Renaissancekandelalber drapierte …

Bitterer noch sind die Ergebnisse des zweiten Wettbewerbs für ländliche Wohnbauten. Da ist der Grundriß eines Bauernhofes, in dem die Entfernung zwischen Wohnküche und Kuhstall 35 Meter beträgt, was das Wort von des Landmanns Müh und Plag als sehr begreiflich erscheinen läßt; und da sind auch die Entwürfe für unzählige jener Siedlungshäuschen mit dem steilen Dach und den kleinen Fensterchen — als ob heute noch ein Wohnhaus in regelmäßigen Abständen gegen Awaren, Landstörtzer und Naturkatastrophen verteidigt werden müßte — und selbst die trauliche Schmiedeeisenlaterne über der Haustür fehlt in den seltensten Fällen. — Aber das ist Spielzeug aus Nürnberg. Mit der Architektur der letzten zwei Architektengene- rationen hat das nichts mehr zu tun.

Alexander Pock — gestorben 1950, Ausstellung in der Galerie Wolfrum — ist ein ausgezeichneter Naturalist gewesen, ein Spät, biedermeier, dessen bekannte Soldatenbildchen den Reiz der k. u. k. Uniformen — vor der Einführung des Feldgrau — wenn schon nicht verewigt, so doch bewahrt haben. Genremalerei von guter Qualität und zweifellos auch von einem gewissen historischen Interesse.

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