Werbung
Werbung
Werbung

Impressionen einer Begegnung mit Susanne Wenger aus Anlass einer Ausstellung in Krems.

Ein beschaulicher Garten im Süden von Wien, mir gegenüber sitzt eine Dame mit Hut, die Augen trefflich geschminkt, zwei Finger zieren extravagante Ringe, den schlanken Körper umhüllt ein Kleid aus ebenso extravagantem Stoff, die Füße stecken in zartledernen Schuhen - offensichtlich eine Einzelanfertigung. Ein Date mit einer Modezarin an einer interessanten Location, um über die derniers cris aus Mailand und Paris zu quatschen? Weit gefehlt, ein Treffen mit der 89-jährigen Künstlerin Susanne Wenger, die einen wohl einzigartigen künstlerischen Weg beschrittet hat.

Die gebürtige Grazerin hat in ihrem Leben mehrere Schwellen und Krisen im besten Sinn des Wortes gemeistert. Als Studentin an der Kunstakademie erlebte sie den Ständestaat, in den nachfolgenden Jahren war sie gegen den "Lausbubn" Hitler politisch aktiv, folgerichtig galt sie auch als eine "entartete" Künstlerin und war mit Berufsverbot belegt. Sie überlebte die Kriegsjahre in innerer Emigration, verschlang Bücher über ferne Länder und "fremde" Religionen und verarbeitete die traumatischen Erfahrungen in surrealistischen Blei- und Buntstiftzeichnungen. "Der Surrealismus wurde leider zu einem Schlagwort zusammengeschlappt. Irgendetwas kann sich ja auch von der Mitte entfernen und nichts mehr aussagen. Aber das, was sich da in der Kunst abgespielt hat, war schon unzweifelhaft für uns die Lösung, wie man aus diesem irrationalen Tohuwabohu herauskommen kann. Mit einer klaren Linie, klar und deutlich, aber nicht zu laut, in der Beschreibung einer Form - und das ist die eigene innere Form." Die innere Form, das gute Gefühl im Bauch oder das aufrechte Rückgrad war der Garant für eine bessere Zukunft.

Über die Schweiz und Paris gelangte sie schließlich nach Nigeria, ihrer nunmehrigen Bleibe seit 55 Jahren, wo sie die europäische Spaltung zwischen Kunst und Religion überwand. Unter kräftiger Mithilfe der Yoruba-Religion und Kultur und deren hochrangigen Priestervertretern. Natürlich ging das nicht so "klipp klapp" vor sich, aber beide Bereiche begannen sich gegenseitig zu ergänzen: "In den folgenden Jahren konnte ich mein geistiges Gleichgewicht nur dadurch erhalten, dass ich die transzendenten Erlebnisse, das metaphysische Abenteuer', immer sofort in schöpferische Tätigkeit umsetzte." Schließlich wurde sie zur Obàtálá-Priesterin, ging als Künstlerin daran, den heiligen Hain in Oshogbo durch ihre "Götterskulpturen" zu retten und setzte durch, dass er nunmehr auch staatlich geschützt ist. Nicht zuletzt dadurch wurde sie zu einer der letzten große Autoritäten der Yoruba-Tradition. In vielen europäischen Interpretationen liest man einen Gegensatz zwischen Gott und Kunst, in einer Konkurrenzsituation mutiert die Kunst zum "neuen" Gott der Künstler, ein versöhnliches Nebeneinander scheint in diesen Interpretationen unmöglich. Bei Susanne Wenger wurde es nicht nur ein Nebeneinander, sondern ein Miteinander, Kunst gilt ihr als ein Ritual, eine mystische Tätigkeit. Der Lichtgott Obàtálá, der für die transzendente Zeugung verantwortlich zeichnet, ist auch der Protokünstler, in dessen Fußstapfen die Hohepriesterin der Kunst ihre Werke schafft.

Obwohl Susanne Wenger stets dem Vokabular der europäischen Moderne treu blieb und sich daher berechtigterweise als Avantgardekünstlerin versteht, reichen sich göttliche und menschliche Schöpfung die Hand. "Die bewusste Zwecklosigkeit der künstlerischen Tätigkeit befreit mich vom Selbst so vollkommen, dass ich nachher unter Umständen sagen kann: Das ist ja wirklich schön, was der Gott Orisha da durch mich gemacht hat. Ich habe nie das Gefühl, dass ich die Dinge, die ich male oder baue, selbst mache. Ich bin da eigentlich ein Gefäß, das rotiert. Das Licht bricht sich an der Oberkante des Gefäßes. So empfinde ich den Vorgang. Trotzdem ist das, was ich mache, sehr persönlich. Es ist ja meine Persönlichkeit, die da eingefangen ist. Bei mir kommt das einfach - es ist wie Atmen." Auf einer Seite ihrer letzten Arbeiten, den "Osmotischen Büchern" heißt es: "Der Gott ist immer die Beute." Der Mensch findet zu sich als Gottesjäger, indem er Kunstwerke schafft.

Susanne Wenger

An einem heiligen Fluss in Afrika

Kunsthalle Krems, Franz Zeller Platz 3, 3500 Krems-Stein

Bis 24. Oktober täglich 10-18 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung