6617263-1955_39_10.jpg
Digital In Arbeit

Der Kaiser und seine Bischöfe

Werbung
Werbung
Werbung

Ein schmales Bändchen, gewidmet einer Spezialuntersuchung, die ihrerseits wiederum in einige Einzelstudien zerfällt über „Bischofsstuhl und Kaiserthron“ und „Kaiser Konstantin und das Gericht der Bischöfe“; streng historische Forschung, philologische Akribie, die Behutsamkeit und Umsicht des anerkannten Spezialisten: aus all diesen Prämissen ist hier ein Werk entstanden, das erregend, wirklich aufregend wirkt, einfach durch die geschichtlichen Tatsachen, die es aufzeigt — und nicht zuletzt durch die Folgerungen, die es zu ziehen dem aufmerksamen Leser anheimstellt. Diese Forschungen über Kaiserinthronisation und Bischofsinthronisation, Kaiser Konstantin unter den Bischöfen in Nicäa und „GIo-rissimus papa“ führen ja in die schwere Problematik der Macht der Kirche und der Macht in der Kirche hinein. „Die Bischöfe der christlichen Kirche, die durch ihre Weihe mit einer kirchlichen Amtswürde ausgestatteten Oberhirten der Gläubigen, sind durch Kaiser Konstantin den Großen den höchsten Würdenträgern des römischen Reiches und den Angehörigen privilegierter Adelsstände im Range gleichgestellt worden. Diese Nobilitierung ist ein geschichtliches Ereignis von außerordentlichen Folgen gewesen. In die nach Rangstufen gegliederte Gesellschaftsordnung weltlichen Ursprungs werden die Charismaträger der Kirche an bevorzugter Stelle eingeordnet.“ Die katholischen Bischöfe tragen also heute noch die Titel und Rangzeichen kaiserlicher Hofbeamter des byzantinischen Reiches, als Eminenzen und Exzellenzen ... das aber ist nur ein Hinweis auf die prekäre Stellung des Bischofs in der Welt: was geschieht nämlich, wenn der Kaiser von „seinen“ Bischöfen, ja von „seinem“ Papste einen Gebrauch macht, wie es Konstantin und seine Söhne selbst bereits versucht haben, wie es später Kaiser und Könige in allen Reichen des Mittelalters und der Neuzeit versucht haben, wobei es ihnen nicht selten gelang, ihre Bischöfe als ihre Hof- und Reichsbeamte sehr einseitig zu verwenden ... ? Nicht erst seit Walther von der Vogelweide und Dante ist deshalb im Abendland der Ruf erschallt wider das „konstantinische Verhängnis“ ... Die Gegenwart hat ein besonderes Interesse für diese konstantinische Problematik, die die Kirche mit allen Ehren, Machtfüllen, Gewichten und Verantwortungen weltlicher Herrschaft belastet hat: man vergleiche da heute nur etwa den Eid der deutschen Bischöfe auf Hitler — sodann heute in die Hand der Ministerpräsidenten der deutschen Länderregierungen — und die Folgerungen, die volksdemokratische europäische, aber auch rechts- und linksradikale südamerikanische Regierungen (so in Mexiko und Argentinien) aus den Vorrechten der alten Kaiser und Könige „ihren“ Bischöfen gegenüber für sich ziehen ... — Diese Perspektiven überläßt Hans Ulrich Instinsky dein Wissen und Gewissen seiner Leser auszuziehen, er führt sie aber an ein neues Bedenken der Macht der Kirche und der Machtwaltung in der Kirche heran durch seine Forschungen über die Betreuung der Bischöfe, durch Konstantin, mit einer ungeheuren Macht- und Ehrenfülle. — Besonders wichtig erscheint uns dabei die Auseinandersetzung Instinskys mit Thomas Klauser (S. 85 ff.), der es für wahrscheinlich hält, daß Konstantin gleich nach 313, nach Nicäa, für den römischen Bischof als den ersten Bischof der Gesamtkirche die reichsrechtliche Gloriosissimusstufe als höchste Rangstufe nach der der Prinzen geschaffen habe. Hiernach wäre der (so lange umstrittene) Vorrang des Bischofs von Rom, des Papstes, durch den Kaiser — einen heidnischen Kaiser — anerkannt und bewußt unterbaut worden: ein zweifelhaftes Prädikat, eine zweifelhafte Stützung des päpstlichen Primates, der doch seine Grundlage einzig und allein auf das Wort Christi an Petrus bauen kann, jenes Kyrios Christus, der den Kyrios Nero, den irdisch-dämonischen Herrn der Welt und des Weltalters, überwindet, wie mit Johannes das Kirchenvolk heute noch in jeder Messe bekennt: Kyrie, eleison — der Christos-Kaiser hat den Welt-Kaiser überwunden. Mit Konstantin aber setzt eine gegenläufige Bewegung ein, die in ihrer dialektischen Auffaltung das ganze Verhältnis und NichtVerhältnis von Kirche und Macht, Kirche und Welt, Kirche und Staat bis heute umgreift. — Bedarf es noch eines Hinweises auf die Aktualität dieser Studie?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung