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Die „leichtathletische“ Gemeinschaftsmesse

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Am sinnfälligsten ist die Krise, in die das heilige Meßopfer, die unblutige Erneuerung des Kreuzesopfers, geraten ist. Zwar gilt noch immer der Lehrsatz des Tridentinums: „Si quis dixerit, in Missa non offer! Deo verum et proprium sacriflcium, aut quod offeri non sit aliud quam nobis Christum ad manducandum dari: Anathema sit.“ — „Wer sagt, in der Messe werde Gott nicht ein wirkliches und eigentliches Opfer dargebracht, oder die Opferhandlung bestehe in nichts anderem, als daß uns Christus zur Speise gereicht werde, der sei ausgeschlossen.“ (Denzinger 948). In der Praxis aber wird die Meßfeier auf eine simple Mahlgemeinschaft reduziert, wenn und wo möglich auf einem schmucklosen Tisch, am besten überhaupt im Dunkel der privaten Hausgemeinde, auf Porzellantellern und in Weingläsern. Der Sprachgebrauch der Neuerer spricht dann von „Mahlüberresten“, was zum destruktiven

Abbau der Verehrung des Altarssakramentes führt, zum Zweifel am Dogma der Verwandlung des Brotes und Weines in Jesu Fleisch und Blut, zur Liquidation der Segensandachten und theophorischen Prozessionen. Von dem, was eine barbarische Riten- und Bilderstürmerei angerichtet hat, ja gar nicht zu reden. Das Kunstwerk der heiligen Liturgie, der in zwei Millennien gewordene Ritus der römischen Messe mit seiner (noch immer Präferenz genießenden!) völkerverbindenden, integrierenden lateinischen Sprache ist der Willkür und verantwortungslosen Experimenten neuerungsbesessener Menschen ausgesetzt. Wollte man bestreiten, daC des Menschen Seele durch das Medium des Sinnfälligen im Glanze musikalischer und liturgischer Schönheit, im Gold der Ornate und im Duft ägyptischen Weihrauchs dem Göttlichen näher gerückt worder war, als dies die trostlose Nüchternheit leichtathletischer Gemeinschaftsmessen — etwa im niederländischen Stil mit „vereinfachten“ Paramenten — gewährleistet?

Wie weise und symptomatisch der Ausspruch des rumänischen Patriarchen Justinian bei einem Sightseeing durch moderne, kalte, kahle (katholische) Kirchen Wiens: „Vor Abstraktionen zündet man keine Kerzen an..Wen nimmt es wunder, wenn mit dem Wachs der Bienen vor dem Bildnis der Madonna auch die Lichter des Glaubens verlöschen?

Wie erschreckend die dämonischen Happening-Surrogate, die an die leergewordenen Wände unserer Gotteshäuser rücken: verworrene, morbide Mißbildungen paranoischer Scharlatane, besessener ich- und weltbezogener Auch-Künstler, die Satans Spuren in das Innerste des Heiligtumes zeichnen.

Freilich, die Kirche ist ja dem Willen der Neuerer gemäß nicht mehr „Haus Gottes“, sondern „Haus der Gemeinde“. Regensburgs Oberhirte, Bischof Rudolf Graber, ein einsamer Rufer an der Verwüstung heiliger Stätte, weist in seiner Schrift „Zur nachkonziliaren Situation der Kirche“ darauf hin, daß der nächste Schritt die Emigration der Abendmahlfeier in die Privatwohnungen ist. Mit der Ablehnung des steinernen Gotteshauses und der Flucht in die Garęonnieren verbindet sich dann — gleichsam als Folgerung — unterschwelig die Ablehnung der „institutionalisierten Volkskirche“, die — wie neulich erst ein katholischer Theologe bemerkte — sich wandeln müßte, „zu einer Gemeindekirche als Gemeinschaft der persönlich Glaubenden und ernsthaft christlich Lebenden“ (Vgl. KNA, Nr. 254, 31. Oktober 1966).

Vieles schwindet

Die Stürmer innerhalb der katholischen Kirche machen verständlicherweise auch vor dem Amtspriestertum nicht halt. Wie befremdend, wenn die Wiener Zeitschrift „Der Seelsorger“ in ihrer letzten Ausgabe eine Untersuchung über das Priesterbild im Neuen Testament veröffentlichte, in welcher offenkundige Häresien zu lesen sind. Um eine „Entsakralisierung“ des Priestertums ging es dem Autor, der den Nachweis zu erbringen bestrebt ist, daß im Neuen Bund das „sacerdotium catholicum“ eigentlich nicht zu belegen sei. Welchen Bischof nimmt es dann noch wunder, wenn der Ruf nach Abschaffung des Zölibats parallel zur Umdeutung des Meßopfers lautstark erschallt? Welchen Bischof nimmt es noch wunder, daß in manchen Wiener Pfarren die Zahl der Ohrenbeichten rapid zurückgeht, wenn auch hier holländische Vorbilder — natürlich deprecativ und nicht judioativ — praktiziert werden? Hat sich also doch der Wiener Logotherapeut Univ.-Prof. Viktor Frankl geirrt, als er von den wohltuenden, psychologischen und psychotherapeutischen Nebenwirkungen des katholischen Bußsakramentes gesprochen hatte? Hat sich die Kirche seit Jahrhunderten und Jahrtausenden geirrt, als ihre geweihten Priester das „Ego te absolvo“ an Gottes Statt proklamierten?

Freilich, ein Gemeinde-Amts- Träger an Stelle des Gesalbten des Herrn, der nicht daran glaubt, daß er „ex hominibus assumptus“ wurde, genießt auch nicht die Autorität eines Beichtvaters und Seelenführers von Anno dazumal.

Wie erschütternd, mitansehen zu müssen, wie die Verehrung Marias im Schwinden begriffen ist, wie die heiligen Engel, wie die Heiligen, die Märtyrerapostel und Bekenner, die Gottergriffenen und Gotterleuchteten im Reigen der Jahrhunderte zu blassen Schemen werden, ohne daß dafür mehr Theozentrik im Leben des modernen Christen Platz ergreift.

Messe, Beichte, Zölibat waren oft die Ziele des Zerstörungseifers in der Kirche. Der vierte Pfeiler des Angriffs war das Papsttum.

Und so ist es auch heute. Nur feiner, vorsichtiger, subtiler als in der Epoche rauher Sitten von der Wartburg. Nicht mehr Suminus Pontifex, nicht mehr Vater der Christenheit, nicht mehr Oberhaupt der Weltkirche, sondern Bischof von Rom allein, Inhaber des Petrusamtes allein. Keine Rede mehr von der Infallibilität in Glaubens- und Sittendingen ex cathedra, hingegen ökumenisches Geflüster um eine neue Sinndeutung der Begriffe „Ehrenprimat“ und ..Primus inter pares“.

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