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Die „Pauline”

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In der vorwiegend oberflächlichen und nur zu häufig verkleinernden Literatur über den Wiener kaiserlichen Hof und die Wiener Gesellschaft seit 18 50 bildet die vorliegende Biographie der Fürstin Pauline von Metternich-Sändor eine erfreuliche Ausnahme. Durch archivarische Forschungen und Beiträge aus Privatbesitz sowie an Hand der spärlichen Literatur ist Dr. Theophila Wassilko eine Lebensbeschreibung dieser bedeutenden Frau gelungen, die ohne Polemik mit der Legende gründlich aufräumt. Die den Lebensweg der Fürstin umrahmenden Zeit- und Milieuschilderungen, besonders soweit sie die in der Heimat verbrachten Jahre betreffen, ermöglichen es, ihre philanthropische Betätigung, wie sie in den damaligen Voraussetzungen verstanden wurde, richtig einzuschätzen. In unseren Tagen, da die soziale Fürsorge eine der Hauptsorgen jeder Regierung geworden ist. wirkt es befremdend, daß Fürstin Metternich- Sändor den Ausbau und das Bestehen einiger aus privater Initiative entstandener Wohlfahrtseinrichtungen neben größeren Geldspenden durch der Allgemeinheit zugängliche Darbietungen sichern mußte. Zu ihren „Schmerzenskindern” gehörte die heute weiterhin segensreich wirkende „Allgemeine Poliklinik”, deren Werdegang die Autorin eingehend schildert. Die durch den Grafen Wilczek-Lamezan und Baron Mundy unmittelbar nach der Ringtheaterkatastrophe gegründete und binnen weniger Tage funktionierende „Wiener Rettungsgesellschaft”, die seither von der Wiener Gemeinde übernommene „Rettung”, die heute auf eine seit 1881 pausenlose Tätigkeit zurückblickt, gehörte ebenfalls zu den von der Fürstin patronisierten Vereinigungen.

Die vielleicht größten Triumphe ihres Lebens waren ihr durch die beiden Blumenkorsos von 1886 und 1887 beschieden. Die erste dieser Veranstaltungen hatte in den Prater ein Viertel der Wiener Bevölkerung — dufch den Kartenverkauf festgestellt: 2 50.000 Besucher — in die Hauptallee gelockt. Als die Fürstin im nächsten Frühjahr über die Ringstraße zum Korso in den Prater fuhr, wurde sie auf dem ganzen Weg äus dem dichtgedrängten Spalier stürmisch akklamiert, was damals wegen der Teilnahme des Kaisers an dem Fest als ein Verstoß gegen die höfischen Gebräuche angesehen wurde. Dem Kaiser, übrigens ebenso freudig bejubelt, wären diese der Fürstin gebrachten Ovationen kaum weiter aufgefallen, hätte ihm nicht Obersthofmeister Fürst Hohenlohe auf Grund polizeilicher Meldungen mitgeteilt, Fürstin Metternich habe sie durch „Zunicken ;pro- voziert”. Einige Tage später hielt der Obersthofmeister der Fürstin vor, sie dränge den Hof in den Schatten. Er bat sie, ohne jedoch anzugehen, wie dies zu bewerkstelligen wäre, derlei Demonstrationen abzuwehren. „Bringen Sie den Kaiser und den Allerhöchsten Hof dazu”, lautete die Antwort, „daß er sich mehr in der Oeffentlichkeit zeige, und zwar nicht in der kleinen Inkognito-Equipage, und Sie werden sehen, wie alles dem Hof zujubeln wird.” Die Folgen dieser Auseinandersetzung machten sich auch noch 1892 fühlbar, als die Fürstin die Organisation der Musik- und Theaterausstellung auf hofärarischen Gründen in die Hand nahm. Ohne ihre nicht aussetzende Tätigkeit und die beiläufig 1800 ausnahmslos eigenhändigen Briefe, welche sie wegen der Gründung lokaler Komitees an Souveräne und prominente Persönlichkeiten richtete, wäre die Ausstellung in so kurzer Zeit kaum zustande gekommen. Aber erst durch die Intervention des späteren Obersthofmeisters Rudolf Liechtenstein, an den mein Vater als Präsident des Theaterkomitees sich mit der Bitte wandte, den Kaiser richtig zu informieren, waren alle Hindernisse aus dem Weg geräumt.

So verging kein Jahr, ohne daß Fürstin Metternich die von ihren Schmerzenskindern benötigten Mittel aufbrachte, fallweise Hilfeleistungen organisierte oder gar sich an Neugründungen, wie die der „Vereinigung zur Erforschung der Krebskrankheit” beteiligte, indem sie bei Kaiser Franz Joseph um eine Audienz ansuchte, der ihr nicht nur einen bedeutenden Betrag zur Verfügung stei’te, das Patronat übernahm, sondern auch die Behörden anweisen ließ, diese neue Aktion in jeder Weise zu fördern. Hier zeigte es sich abermals, mit welchem Takt er Dank und Anerkennung zu bezeigen verstand: einige Tage nach der Audienz ließ er bei Fürstin Metternich anfragen, wann er ihr einen „Gegenbesuch machen dürfe”. Da die Fürstin bereits mit der höchsten Klasse des Elisabethordens ausgezeichnet war, hatte der Kaiser diesen Ausweg gewählt, um ihre Verdienste neuerlich zu würdigen. Man war in Wien nicht wenig über diesen Schritt des Kaisers erstaunt, da er außer den Mitgliedern des Kaiserhauses und souveräner Familien nur die Gattinnen der von Wien abberufenen Botschafter und Fürstin Julie Arenberg-Hunyadi, eine seiner bevorzugten Tänzerinnen, vor seiner Verheiratung besuchte.

lieber diese Gunstbezeigung war man in Wien auch deswegen nicht wenig erstaunt, da es stets verlautet hatte, „Allerhöchsten Orts” wäre noch immer nicht vergessen, daß Fürstin Pauline in den Salons der Kaiserin Eugėnie sich nicht stets so gemessen verhalten und ausgedrückt hätte, als es dem Ton des Flofes entsprach, den ihr Gatte vertrat.

Hierzu sei jedoch bemerkt, daß die in antibonaparti- stischen Kreisen aufgekommene Behauptung, sie habe am Tuilerienhof einen allzu freien Ton angegeben, durch Memorialisten entkräftet wird, die von der nicht angemessenen Haltung der Kaiserin Eugėnie und ihrer Intimen schon vor der Botschafterzeit Richard Metternichs berichten. In den hier leider zuwenig herangezogenen Erinnerungen der Fürstin „Eclairs du passe” findet man manch freimütige Beweise, daß sie tatsächlich einen Unterschied zwischen dem Wiener und dem Pariser Hof gemacht hat. Zu bedauern ist noch, daß die Tätigkeit Fürst Richards, der in den elf Jahren seines Pariser Wirkens das in ihn gesetzte Vertrauen in äußerst schwierigen Zeiten vollauf gerechtfertigt hat, nicht nach Gebühr gewürdigt wurde. Abschließend sei der Autorin im Namen vieler alter Wiener herzlichst gedankt für die guten Stunden, in denen Erinnerungen an die eigene Jugend aufgefrischt worden sind. Ihr Werk bringt wohl hauptsächlich „Les cdtės de.la petite histöire”, den durch Sorgen wenig getrübten Alltag einer fast zur Gänze verschwundenen Generation. „Klein”, dennoch wissenswert und festzuhalten, denn für die „grande histöire” ist jede wahrheitsgetreue Darstellung von Geschehnissen ein wichtiger Beitrag.

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