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Domus tuae decus
DER WIENER DOM. Von Rudolf Baehleitner in Gemeinschaft mit Peter Kodera (Photographie). Wiener Dom-Verlag, 1966. 64 Seiten Text, 96 Seiten Bildteil, 6 Farbtafeln, gebunden, S 295.—.
DER WIENER DOM. Von Rudolf Baehleitner in Gemeinschaft mit Peter Kodera (Photographie). Wiener Dom-Verlag, 1966. 64 Seiten Text, 96 Seiten Bildteil, 6 Farbtafeln, gebunden, S 295.—.
Wiens erstes Wahrzeichen ist seit Jahrhunderten der Stephansturm. Nicht die alten Wiener allein betrachten ihn mit Liebe, besingen ihn in manchmal nur allzu gefühlvollen Liedern; kein Österreicher, kein Fremder kann Wiens Pflaster betreten, ohne den Dom der Metropole zu sehen, ohne die Bedeutung des Gotteshauses wenigstens beiläufig kennenzulermen. Den Katholiken Österreichs, den Freunden der Kunstgeschichte, den gebefreudigen Besuchern des Weihnachtsmarktes hat der Direktor des Wiener Diözesanmuseums mit seinem Prachtwerk Freude gemacht.
Auch dem durchaus unkundigen Leser muß freilich die Schönheit der dargestellten Kunstwerke Freude machen; aus Bildern und Text .ist dazu viel aus der Geschichte der Baukunst, der Bildhauerei und Bildschnitzerei, der Malerei und Glasmalerei zu lernen. All das wird aber durch die politische Geschichte bedingt: . die politische Geschichte gibt auf die verschiedensten Fragen die manchmal überraschende Antwort. Zum Beispiel: Warum ist der Dom nicht in Gran, in Krakau, in Prag in die Herrschenburg eingefügt? Warum steht er selbständig da, als wäre die Kirche an Macht dem Lan- desherm ebenbürtig? Darum, weil Wien eine deutsche Stadt war; jeder deutscher Bischof war Reichsfürst, allein dem römischen König, nicht einem Herzog untergeben. Österreichs Kirchenfürst saß in Passau.
Auch ist der ganze Dom das Gegenteil eines kleinösterreichischen Werks, das nur zum Raum zwischen Buchs und Bruck Beziehung hätte. Die Skulpturen Rudolfs IV. entstammen der Bauhütte, die sein kaiserlicher Schwiegervater von Schwä- bisch-Gmünd nach Prag gebracht hatte; vom Turm sahen Wiens Verteidiger den damaligen Erbfeind, der von den Ufern des Bosporus ins Feld gezogen war; links vom Eingang Hegt der Prinz von Savoyen, der Ungarns Befreiung vollendete; gegenüber wird ein Muttergottesbild aus dem Karpatenland der Ruthe- nen verehrt; der Dom ist in Flammen aufgegangen, als Russen ein deutsches Heer zurückschlugen; den Neubau beschenkten Amerikaner; und unter prunkvollem Marmelstein liegt der Kaiser begraben, der als letzter die Kaiserkrone im alten Rom empfing, im Lateran das Krönungsmahl feierte.
Ist das aber alles? Nein — das ist das geringste. Dieses Haus ist kein Denkmal allein — kein Andenken allein. „Mein Haus wird ein Haus des Gebetes genannt werden“, so steht es geschrieben; dam Gäbet lebt dieses Gotteshaus. Jeden Sonntag ist es voll, an jedem Hochfest ist es überfüllt mit Leuten, die hingekommen sind zu demselben Zweck, für den Bischof Reginmar von Passau hier vor mehr denn 800 Jahren eine Kirche gestiftet hat. Von diesem Zweck ist jeder Stein bestimmt, den uns das Buch sehen läßt; das möge jeder Leser, jeder Besucher bedenken.
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