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EAMON DE VALERA GROSSER SOHN DER GRÜNEN INSEL

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Es ist zwar nickt historisch nachweisbar, jedoch bereits nach flüchtigem Studium der irischen Volksseele als sicher anzunehmen, daß nur Eamon de Valera, der ergraute Kampe, diesmal Präsident von Eire werden konnte, wenn auch die Oppositionspartei in General Sean MacEoin einen Revolutionskameraden des „Weisen von Irland“ aufgestellt hatte. Seit geraumer Zeit hat man es ja bereits am Ufer des Liffey gewußt, daß die Aera de Valera zu Ende geht. Der Regierungschef, seit 1932 mit zwei Unterbrechungen im Amt, ist alt und müde geworden. Der Präsidentenstuhl scheint demnach für den letzten Ueberlebenden der fünf Führer des irischen Osteraufstands von 1916 wie geschaffen.

Es liegt eine gewisse historische Gerechtigkeit darin, daß Irland nach einer sechshundert fahre dauernden Auflehnung gegen die britische Flerrschaft, nach einem nationalen Schicksal von seltener, nur mit dem der Polen vergleichbaren Tragik nun im Windschatten der Weltgeschichte eine Art von Phäakendasein genießen darf. Niemand weiß, wie lange dieses ungestörte Alleinsein anhält, aber so lange es dauert, wird es in diesem schönen, eigenartigen, armen Lande genossen. De Valeras Schicksal ist ein Stück irisches Schicksal. Mit dem Klang von Ehrfurcht und Liebe, die auf dem Kontinent nicht ihresgleichen hat, nennen ihn seine Landsleute und vorab seine Gefährten aus ernsten Tagen einfach „Dev" — es ist der Kosename der von den Poeten besungenen „smaragdgrünen Insel“ für seinen Sohn.

Der „Taoiseach", ein gälischer Titel, was etwa „Häuptling“ heißt, ist gar nicht in Irland geboren. Er kam in New York 1882 als Sohn eines baskischen Bildhauers, Vivion de Valera, und einer irischen Mutter zur

Welt. Aber das mütterliche Temperament genügte, um aus dem Knaben einen fanatischen Iren zu machen. Eamon wuchs in der Grafschaft Limerick auf und sog die ganze Begeisterung für den irischen Freiheitskampf sozusagen mit der Flasche ein. In der Jugend war er ein geübter Athlet gewesen. Daß er sich den Freiwilligenverbänden anschloß, war nur eine Frage der Zeit. Der Mathematiklehrer nahm dann am blutigen Osteraufstand teil. Alle Führer wurden von eng lischen Kriegsgerichten erschossen, er, zum Tode verurteilt, wurde nur durch seinen amerikanischen Paß gerettet. England hätte sich, auf US-Hilfe wartend, die Erschießung eines „Amerikaners“ nicht erlauben dürfen. Als Mensch ist er ein vorbildlicher Christ, aber ohne jede Bigotterie, im Umgang ohne jede Pose und von Natur aus, trotzdem er fast erblindet ist, ein frohsinniger Mensch. Die Willenskraft, mit der er die drohende Erblindung bekämpfte, ist nicht zuletzt ein Grund für die große Verehrung, die ihm allenthalben gezollt wird.

Irland verweigerte dem schwer bedrohten England die Anlage von Flugplätzen im zweiten Weltkrieg. Das warf Churchill 1945 de Valera vor. Er aber konterte: „Churchill ist stolz auf Großbritannien … konnte er aber nicht in seinem Herzen die Großzügigkeit finden, anzuerkennen, daß es eine kleine Nation gibt, die nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für Jahrhunderte der Aggression allein gegenüberstand, die Plünderungen, Hungersnöte, Massaker ohne Ende erlitt, die manchmal bewußtlos geschlagen wurde, aber jedesmal nach dem Erwachen den Kampf wieder aufnahm, eine kleine Nation, die nie dazu gebracht werden konnte, die Niederlage anzunehmen, und nie ihre Seele ergeben hat?“

Acht Jahre später wurde de Valera von Churchill in Downingstreet empfangen. Das herzliche Gespräch der zwei großen Männer drehte sich unter anderem um das Verhalten der Pferde- bei der Kavallerieattacke von Omdurman, Anno 1898.

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