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In die Zeit hineingerufen

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Es gibt nur eine einzige Wahrheit, aber viele Sprachen, sie zu verkünden. Dem Worte Papst Johannes' XXIII. vom Aggiornamento, der Anpassung der Kirche an die Zeit, folgt schon seit Jahren Wiens Erz-bischof, Kardinal König, in seinen Botschaften zu Kirchenfesten, aber auch zu bedeutenden weltlichen Anlässen.

Als Kathpreß-Dokumentation Nr. 3 liegen nunmehr Kardinal Königs Ansprachen und Botschaften der letzten drei Jahre vor; sie dürften gerade bei den „Furche“-Lesern besondere Aufmerksamkeit finden, weil ja die meisten von ihnen im Blatt abgedruckt wurden und jetzt im Zusammenhang da und dort ganz neue Ausblicke eröffnen. Zu den Aschermittwoch-, Oster-, Pfingst- und Neujahrsbotschaften, Hirtenbriefen, Konzilsvorsprüchen und ähnlichem kommen Ansprachen zu besonderen Anlässen, wie etwa die Kardinal Königs als Militärvikars an die Offiziere des Bundesheeres am 29. Jänner 1963, in der es unter anderem heißt:

„Wenn einmal die Stunde kommen sollte — wir alle bitten Gott, daß sie niemals komme —, in der dieses Österreich gezwungen sein sollte, seine Soldaten zur Verteidigung der Neutralität und Unabhängigkeit unseres Vaterlandes aufzurufen — und dazu werden die Soldaten ja schließlich ausgebildet —, dann werden diese Soldaten gewiß kommen, nicht mit fliegenden Fahnen, nicht mit todessüchtiger Begeisterung, aber sie werden kommen. Wenn sie dann nicht wissen, warum sie dieses Österreich verteidigen sollen, wenn sie das nicht gelernt haben zu der Zeit, als man ihnen die technischen Kenntnisse dafür beibrachte, wenn sie es nicht von ihren Offizieren gelernt haben, wenn es ihnen nicht von ihren Offizieren vorgelebt wurde, dann kann es sein, daß sich das Wort des Prinzen Eugen wiederholt, der einmal in bitterer Stunde sagte: Die Österreicher kämpfen tapfer, aber ohne Zuversicht.“

Zur 900-Jahr-Feier des Domes von Speyer sprach Kardinal König als päpstlicher Legat am 19. September 1961 ernste Worte über die Größe und den Niedergang des Abendlandes, von denen die nachstehenden noch lange nachklingen werden:

„Das Christentum hat wohl Europa geprägt, aber Europa hat nicht das Recht, die katholische Kirche in europäische Formen zu zwängen. Das Abendland muß sich bewußt sein, daß die Kirche nicht auf das Abendland, wohl aber das Abendland auf die Kirche angewiesen ist. Hier mag der Grund liegen, daß das christliche Abendland wohl universal, aber nicht genug ökumenisch geworden ist. Es lebte in einer Isolierung, die es nicht zu sprengen vermochte, um den Weg in die ganze Welt zu finden. Es ist heute eine Großtat des päpstlichen Roms, daß es sich gegenwärtig bereitmacht, sich vom Abendland so weit frei zu machen, um einen neuen Dombau im ökumenischen Geist zu beginnen.“

Und in derselben Ansprache: „Unsere Aufgabe ist es, einen neuen Dom zu bauen für die ganze Welt. Seine Fundamente müssen sein Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde, die von Gott wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert worden sind.“

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