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Mann der Versöhnung

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In den vergangenen Wochen hat man in den Stadt- und Landpfarren unserer Diözese das Erntedankfest begangen. Heute feiern wir hier im Dom zu St. Stephan ein Erntedankfest besonderer Art, ein Fest hoher Freude: das Goldene Priesterjubiläum unseres Bischofs.

In Rom fand nämlich am 29. Oktober 1933 in Sant’Ignazio, der Kirche der Jesuiten, die Priester-

weihe statt, deren 50. Jahrestag wir heute festlich begehen. Es war der Tag einer großen, stillen und tiefen Freude für den Neugeweihten.

„Strebt nicht nach Höherem, als euch zukommt”, mahnte Paulus in der Lesung aus dem Römerbrief (Röm 12,3). Nein, das hat unser Jubilar wohl nicht getan. Er hat vielmehr seinen Weg gesucht „besonnen” und „nach dem Maß des Glaubens, das Gott ihm zugeteilt hat”, um wiederum Paulus zu zitieren (Röm 12,3).

Er dachte daran, als Kaplan Jugendgruppen zu führen, eventuell Krankenhausseelsorger zu werden. Wenn damals jemand gesagt hätte, er solle einmal Bischof werden, er hätte nach seinen eigenen Worten geantwortet: „Du bist nicht ganz bei Trost.”

Eher zeichnete sich schon die Laufbahn eines Gelehrten ab. „Wer zum Lehren berufen ist, der lehre”, schreibt der Apostel (Röm 12,7). Das war unser Jubilar, doch sollte die Lehrerstelle am Gymnasium in Krems bzw. die Lehrkanzel an der Universität Salzburg bald durch eine bischöfliche Kathedra abgelöst werden. So wurde Franz König 1952 Weihbischof in St. Pölten, 1956 Erzbischof von Wien, 1958 Kardinal.

Weite des Denkens und damit geistige Freiheit, innige Bindung an das Absolute, an Gott, sowie Hingeordnet-Sein auf die Menschen in verbindender, verstehender, versöhnender Kraft, das sind offenbar Grundstrukturen der Persönlichkeit unseres Bischofs, die sich schon früh abgezeichnet haben.

Weite des Denkens und geistige Freiheit verdanken sich nicht zuletzt den tiefen Brunnen, ahs denen der Student, der Priester, der Bischof schöpfte. Da ist vor allem die Bibel zu nennen mit all ihrem Reichtum, da waren viele christliche Denker von Augustinus über Thomas von Aquin bis Kardinal

Newman. Aber nicht nur christliche Quellen speisten diesen Geist, sondern auch Plato und Aristoteles, das Studium fremder Religionen, besonders der Lehre Zarathustras.

Welche Fülle von verbindenden und versöhnenden Aktivitäten setzte unser Bischof! Ich weise hin auf die Rolle von Kardinal König beim Konzil und greife als kleines Beispiel seinen Einsatz für Zustandekommen und inhaltliche Gestaltung der Erklärung über die Religionsfreiheit („Dignitatis humanae”) heraus. Hierher gehört natürlich auch die Förderung der Ökumene auf dem Konzil und danach besonders das Mühen um die Versöhnung mit der Orthodoxie, die Gründung der Stiftung „Pro Oriente”.

Nicht vergessen seien die freundschaftlichen Kontakte zu anderen Religionen, besonders zum Islam, und die langjährige Leitungstätigkeit im Römischen Sekretariat für die Nichtglaubenden. Intensive Bemühungen um Versöhnung von Glauben und Wissenschaft scheinen mir hier besonders bedeutsam gewesen zu sein.

Innerösterreichisch sei die Neugestaltung kirchlicher Beziehungen zu politischen Parteien, Ge werkschaften und anderen Verbänden hervorgehoben. Immer war es eine Linie der Versöhnung und des Abbaus von feindseligen Polaritäten, die verfolgt wurde. In einer Zeit der Friedensdemonstrationen muß man sagen: Hier wurde Frieden realisiert.

Besorgt äußert sich der Herr Kardinal einmal über die Zukunft: „Wenn im Jahre 2000 fast alle Menschen in großen Städten leben werden, dann werden sie sich nur sehr schwer zurückziehen können, um allein zu sein mit sich, allein mit Gott, um zu einem wahrhaftigen geistigen Erlebnis zu gelange…o werden sie meditieren, wo werden sie beten könne…ann man die Auswirkung einer solchen Situation auf den Glauben abschätzen? Auf die Hoffnung? Auf die menschliche Liebe?” (Glaube ist Freiheit, 26)

Vom Gebet geht mein Gedanke noch zur Pflege der Gemeinschaft überhaupt. Auch sie ist eine Vorbedingung pastoraler Fruchtbarkeit. Der Herr Kardinal drückte sich einmal so aus: „In unserer Zeit ermutigt uns Gott, ihn nicht nur durch das Gebet allein zu finden, sondern auch auf anderen Wege…m also Gott zu finden und zu erahnen, werden wir ihm in unseren Mitmenschen begegnen müssen.” (Glaube ist Freiheit, 28).

Dechant Hans Schinner hat am 28. Oktober 1983 die Ansprache bei der Feier des Goldenen Priesteriubiläums des Wiener Erzbischofs in St. Stephan gehalten.

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