Gottes Wort - grenzenlos

Werbung
Werbung
Werbung

Wo ist es möglich, ein vierzehntägiges Ferienlager mit dem Schwerpunkt Bibelarbeit für 700 Kinder zu organisieren, das pro Kind 50 Schilling kostet? - so gelungen einer Klosterschwester für die polnische Minderheit in der Ukraine. Wo ist es heute noch denkbar, daß Studenten freiwillig ein Wochenende lang täglich sechs bis acht Stunden ein Intensivseminar in biblischer Methodenlehre besuchen und dafür noch eine Teilnahmegebühr in der Höhe eines Zwanzigstels eines durchschnittlichen Monatslohnes bezahlen? - so geschehen an der Theologischen Akademie in Lwiw. Ist es vorstellbar, daß seit Jahren in einem Kabinett des Bischofshauses ein Gelehrter gleichsam für Gottes Lohn allein an einer modernen ukrainischen Bibel-Übersetzung aus dem hebräischen bzw. griechischen Urtext arbeitet? - Bis 2000 soll diese Bibel, die auch das Kirchenslawische mitberücksichtigt, fertiggestellt sein.

Das Katholische Bibelwerk, das nicht erst seit dem Ende des Eisernen Vorhangs, sondern schon in der Zeit des Kalten Krieges Brücken in den Osten gebaut hat, veranstaltet seit 1990 Bibelseminare, die nicht nur der exegetischen Einführung, sondern vor allem der methodischen Umsetzung dienen: zunächst in österreichischen Bildungshäusern, später vor Ort - nicht nur, um Kosten zu sparen, sondern vor allem, um die Eigenständigkeit der jeweiligen Nationalitäten zu unterstreichen. Anfang Dezember 1997 fand in Lwiw, dem "Lemberg" der Monarchie, ein derartiges Seminar statt. Etwa 40 Theologiestudenten und interessierte Laien hatten sich angemeldet. Die Organisation klappte hervorragend, selbst an "westlichen" Maßstäben gemessen. Sprachliche Hürden wurden nicht nur durch Fachleute überwunden (zum Teil Theologieprofessoren, die als Auslandsukrainer in Nordamerika aufgewachsen sind), sondern auch von nahezu allen Teilnehmern selbst gemeistert, die die moderne Lingua Franca, das Englische, ausgezeichnet beherrschten. Das Seminar hatte zwei Ziele: eine gründliche Einführung in zentrale alt- und neutestamentliche Bibelstellen und die Vermittlung vieler Methoden der Bibelkatechese für Kinder und Erwachsene. Besonders die Einübung der praktischen Bibelarbeit - für die es eine Fülle von Ansätzen gibt (wie Bibliodrama, Synoptisches Bibellesen, Aktualisierungen ...) sowie künstlerische Selbstbetätigung - faszinierten die Teilnehmer, denen "Gruppenarbeit" bis dahin ein Fremdwort gewesen war. Die zwischen West und Ost, römischen Katholiken und Unierten, ja auch orthodoxen Christen unterschiedlichen theologischen und historischen Ansätze spielten dabei eine geringe Rolle.

Es gelang bei diesem Seminar augenscheinlich, was Lehrer meist anstreben aber selten ideal erreichen: die Lernenden so neugierig zu machen, daß sie selbständig zu lernen beginnen. Am Ende des Seminars stand die Geburtsstunde des Ukrainischen Katholischen Bibelwerks: Angeführt von einer jungen Ordensfrau bildete sich eine Proponentengruppe, um - mit österreichischer Schützenhilfe - Bibelrunden in der Ukraine zu organisieren. Referententätigkeit, der weitere Aufbau einer Bibliothek und internationale Kontakte werden bald folgen.

Als wir am Tag der Abreise in aller Frühe, als es noch dunkel war, mit einem Fahrzeug nach Przemy'sl (Polen) zum Bahnhof gebracht werden, liegen noch fast zwei Stunden der Grenzkontrolle - trotz aller Privilegien für die Gäste des Bischofs - vor uns. Das Wort Gottes hat diese (un)menschlichen Grenzen längst überwunden und Licht für alle Völker gebracht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung