Freudenthaler - © Foto: Gianmaria Gava

Laura Freudenthaler: „Es gibt einfach keinen Ort mehr für Träume“

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Mit ihrer neuen Publikation „Arson“, einer Dystopie über folgenschwere Brände und die immer heißer werdende Erde, reiht sich Laura Freudenthaler unter die wichtigsten Neuerscheinungen des heurigen Bücherherbstes ein.

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Mit ihrer neuen Publikation „Arson“, einer Dystopie über folgenschwere Brände und die immer heißer werdende Erde, reiht sich Laura Freudenthaler unter die wichtigsten Neuerscheinungen des heurigen Bücherherbstes ein.

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Urwälder in Flammen, wie Fackeln brennende Kronen oder ein übers Stoppelfeld laufendes Feuer. Es ist ein wildes Knacken und Prasseln, wenn dunkelrote, Funken sprühende und hell auflodernde Flammen das trockene Holz erreichen, um dann irgendwann als Glutnester doch noch zu verglosen.

In der neuen Prosa der österreichischen Autorin Laura Freudenthaler bündeln sich wahrlich düstere Bilder von weltumspannenden, fast apokalyptischen Bränden, denen die menschliche Hybris hinsichtlich einer rücksichtslosen Einverleibung der Natur zugrunde liegt. „Arson“, so der Titel des Bandes, bedeutet Brandstiftung. Dieser Begriff wird hier allerdings mit zusätzlichen Konnotationen aufgeladen. Denn Brände mannigfaltigen Ursprungs halten zwar als Kernmotiv wie ein roter Faden die einzelnen, lose miteinander verbundenen Textsequenzen zusammen; diesen dystopischen Skizzen sind jedoch noch weitreichendere globale Probleme als Subtext eingeschrieben.

Hitzeglühen mit Vorstufe

2020 hat Laura Freudenthaler auf Einladung der FURCHE-Feuilletonchefin Brigitte SchwensHarrant bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur gelesen. Schon damals wurde sie als „Shootingstar“ der jüngeren Schriftsteller(innen)generation bezeichnet. Denn zuvor hatte sie bereits mit ihren Romanen „Die Königin schweigt“ und „Geistergeschichte“ auf sich aufmerksam gemacht. Für ihren Text „Der heißeste Sommer“, dessen „atmosphärische Dichte“ von der Jury besonders hervorgehoben wurde, hat sie in Klagenfurt den 3satPreis erhalten. Auch wenn Freudenthaler diesen Text heute als abgeschlossen und abgelegt betrachtet, ist frappierend, wie viele Motive sie darin für ihre neue Prosa angelegt hat, die sie teilweise verfremdet in „Arson“ wieder aufgreift und weiterentwickelt, sodass sie als literarisches Unterfutter durchaus präsent bleiben.

Schaut man sich den Plot an, so tut sich auf den ersten Blick nicht viel, auf den zweiten jedoch Ungeheuerliches. Im Zentrum steht eine ruhelose Ich-Erzählerin, die nicht nur ihre Wohnsitze wechselt und sich mit dem Notwendigsten zufriedengibt, sondern sich auch häufig zwischen Traum und Realität bewegt. Vor allem aufgrund ihrer gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit fällt es ihr nicht leicht, die Wirklichkeit einzuordnen, wenn Geräusche und Sichtbares einer Traumwelt zu einer flirrenden Ebene verschwimmen: „Die Sprache von drüben schafft nie den Übergang. Bilder kann ich mitnehmen und fälschen, indem ich sie aufschreibe.“ Die Protagonistin ist Journalistin, schreibt Berichte und arbeitet unter prekären Bedingungen. Sie hat Existenzängste und sträubt sich, Hilfe anzunehmen. Oft bricht sie mit Bleistift und Heft in der Hand in die Natur auf und streift durch das Gelände einer surreal anmutenden Landschaft. Nach einer gescheiterten Beziehung ‒ es bedarf nämlich gemeinsamer Ziele und „Projekte, um zu wachsen“ ‒ trifft sie auf einen Mann, der – ähnlich wie sie – getrieben und eingenommen von der Arbeit ist. Am Meteorologischen Institut gilt er als Experte für das Kartografieren von Bränden, die immer mehr Regionen der Welt erfassen. Mittlerweile leidet er bereits unter permanenter Schlaflosigkeit, Stress, einem übersteigerten Verantwortungsbewusstsein, ja eigentlich unter einem Burnout. Deshalb arbeitet er mit einer Therapeutin, die ihn mit unterschiedlichsten Methoden wie etwa einem Schlaftagebuch unterstützt. Viereinhalb Stunden Schlaf sind das absolute Minimum, heißt es, aber irgendwann rächt sich Schlafentzug sogar mit „Visionen und Halluzinationen“.

Brandbeschleuniger Mensch

Ich möchte, dass meine Texte mehr aufmachen, als sie beantworten oder vorgeben“, sagt Freudenthaler einmal in einem Interview über ihr Schreiben. Dieses Credo gilt insbesondere auch für „Arson“. Denn hier werden Bedeutungsfolien ineinandergeschoben und so miteinander verknüpft, dass wieder neue Assoziationsfelder entstehen, vieles bleibt in Schwebe. Auf diese Weise tun sich beiläufig aktuelle globale Fragen auf, die sich dann nachhaltig verankern. Man erinnert sich noch mit Entsetzen an die jüngsten Buschbrände in Australien, die die Welt vor zwei Jahren in Atem gehalten haben. Freudenthaler evoziert ein Bild von dieser Katastrophe: „Draußen einundfünfzig Grad Celsius, dort ist leuchtender Tag, während du träumst. Die großen Löschflugzeuge heißen Bomber und laden fünfzehn Tonnen. Ich frage mich, woher sie das Wasser nehmen.“ Überhaupt wächst die Brandgefahr dort, wo in der Natur „menschliche Infrastruktur“ geschaffen wurde, weil „die meisten Vegetationsbrände (…) von Menschen gelegt oder verursacht“ werden.

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