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Asphalt

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Der „Wiener Zeitungskrieg“ ist schon lange kein lustiger Krieg mehr. Das Schauspiel, das mit täglich wechselnden spektakulären Aufzügen über die Bühne geht, beginnt mit Ausnahme einschlägiger Fachkreise die Oeffentlich-keit allmählich zu ermüden. Degoutiert ist- sie schon lange.

Polizei als Stammgäste einer Großdruckerei, Zentner von beschlagnahmten Zeitungen aller Couleurs, ein Rattenschwanz von durch gröbste Verdächtigungen und massive Gegenbeschuldigungen ausgelöster Prozesse — daneben Szenen von unfreiwilliger Komik und Skurrilität, die der Phantasie eines Herzmanovsky-Orlando entsprungen sein könnten — lassen die Frage aufkommen, ob wir alle wirklich zur Zeit unfreiwillige Zaungäste einer großen Freilichtaufführung der „Dreigroschenoper“ in einer österreichischen Spezialbearbeitung sind, die die ätzende Schärfe des Urtextes durch die Einführung schildbürgerhafter Motive mildert.

Asphalt, Asphalt, Asphalt!

Allein schon sind die Bezirke, in denen sich Boulevardblätter am besten unbeachtet von der seriösen Publizistik ihre Schlachten liefern mögen, überschritten. Schon stehen politische und wirtschaftliche Gruppen und Kreise hinter der Auseinandersetzung, die ansonsten zumindest am Vorabend von Wahlen bisher einmütig an einem Strang — nämlich an dem der ersten Regierungspartei gezogen haben. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier den Friedensrichter zu spielen.

Etwas anderes ist es, was uns veranlaßt zu sprechen. Besteht doch die eminente Gefahr, daß man als den eigentlichen Verlierer des ganzen Debakels, gleichgültig wie dieses auch enden mag, den Stand der Journalisten nennen wird können. Machen wir uns nichts vor: der Beruf des Journalisten hat in Oesterreich nach 1945 nicht mehr dieselbe Reputation erringen können, wie er sie in früheren Zeiten hierzulande besessen hat und wie er sie auch heute noch in anderen Staaten besitzt. Das kommt nicht allein in seiner finanziellen, sondern vor allen Dingen in seiner abgewerteten politischen und auch gesellschaftlichen Stellung deutlich genug zur Geltung. Für heute genügt es festzuhalten, daß die Vorfälle in Randbezirken der Wiener Presse wahrhaftig nicht dazu angetan sind, das Vertrauen der Bevölkerung zu den Männern, die an der öffentlichen Meinung arbeiten, zu stärken.

Dieser Entwicklung dürfen aber alle, die in Oesterreich die Feder führen und denen ein sauberer, aber auch nackensteifer Journalistenstand am Herzen liegt, nicht tatenlos zusehen. Vielleicht gewinnt gerade unter dem Eindruck der .jüngsten Ereignisse, vor .allem in sozialistischen Kollegenkreisen, endlich die Einsicht Raum, daß die Journalistengewerkschaft, deren bisherige Verdienste nicht geschmälert werden sollen, schon auf Grund ihrer Konstruktion nicht das geeignete Instrument ist, das geistige, moralische und auch materielle „Nachziehverfahren“ eines doch nicht ganz unwesentlichen Faktors im öffentlichen Leben, den die Journalisten nun einmal bilden, durchzuführen. Die Frage einer Pressekammer gewinnt jedenfalls ebenso wie der noch näher zu erläuternde Vorschlag einer „Berufliste der Journalisten“ hohe Aktualität.

Der „Wiener Zeitungskrieg“ wird früher oder später sein Ende finden. Die österreichischen Journalisten dürfen jedenfalls dabei nicht auf der Strecke bleiben. Auf dem Asphalt.

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