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„Moderner Traum” im neuen Haus
Nachdem das von Clemens Holzmeister erbaute neue Kammerspielhaus des Landestheaters in Linz, das während des Umbaus des alten „großen” Hauses behelfsmäßig auch den Opern- und Operettenbetrieb zu beherbergen hat, am 28. September mit Franz Werfels „Paulus unter den Juden” seiner eigentlichen Bestimmung übergeben worden war, öffnete es tags darauf seine Pforten auch dem Musiktheater. Aufgeführt wurde zunächst Karl Maria von Webers reizender Einakter „Abu Hassan” unter der musikalischen Leitung von Siegfried Meik, der Spielleitung von Bruno Vogęs und in der hübschen, an persische Miniaturen erinnernden Ausstattung von Heinz Köttel. Die Wahl gerade dieses Werkchens erklärte sich dadurch, daß für das folgende Ballett, auf dessen Uraufführung sich das Hauptinteresse des Abends richtete, ebenfalls Musik von Weber verwendet worden war. Der Titel dieses Tanzspiels ist „Moderner Traum”. Die Idee dazu stammt von Fred S c h r o e r, dem neuen, aus Oldenburg gekommenen Linzer Intendanten. Für Choreographie und Inszenierung zeichnete Ballettmeister Andrei J e r s c h i k, die Musik ist von Helmut Eder. Das dreiteilige Werk hat zum Gegenstand die Angst des Menschen eines technokratischen Zeitalters vor der eigenen Technisierung und Vermassung, die ihn im Traum erlösende „Romantik” ersehnen und erleben läßt, um schließlich erwachend wieder seiner Angst zu verfallen. Das ergibt einen klaren dreiteiligen Aufbau. Für den romantischen Traum des Mittelalters wurden Klavierstücke Karl Maria von Webers instrumentiert, die Musik des ersten und dritten Teils ist Originalgewächs Helmut Eders. Sowohl in der Instrumentation der Weberschen Sätze wie in der eigenen Komposition bewies Eder einmal mehr sein hervorragendes technisches Können. Im übrigen aber wurde der Eindruck bestätigt, den man schon von seinen letzten Orchesterwerken gewonnen hatte und der dahin geht, daß Eder, der sich in den vergangenen Jahren zwar in der Gefolgschaft Johann Nepomuk Davids, dennoch aber mit unverkennbarer persönlicher Prägung sehr hoffnungsvoll entwickelt hatte, heute in einem Uebergangsstadium steht, in dem er mancherlei Anregungen, die ihm ein einjähriger Studienaufenthalt in Deutschland vor allem durch Carl Orff vermittelt hat, verarbeitet. Er experimentiert zur Zeit sehr stark mit Klangeffekten, in erster Linie solchen eines umfangreichen Schlagzeugs, und entspricht damit weitgehend dem in dem Tanzspiel vom „Modernen Traum” gegebenen Vorwurf, ohne indes mehr oder anderes zu bieten als Honegger, Stra- winsky, Orff und andere schon Vor Jahrzehnten praktiziert haben. Wer Eders Entwicklung verfolgt hat, mag es zunächst bedauern, daß er seine ursprüngliche Bahn verlassen hat, doch haben wir zur Stärke seiner Begabung Vertrauen genug, um überzeugt zu sein, daß sein augenblickliches Stadium ein für ihn notwendiger Durchgang ist, der ihm neue Wege zu künftigem Schaffen eröffnet. — Die Aufführung hatte sowohl in musikalischer Beziehung, unter Siegfried Meik, wie in der tänzerischen Durchführung, die von Andrei Jerschik geleitet wurde, hohes Niveau und fand entsprechenden Beifall.
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