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Ein neuer „Ödipus“ in Linz

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Ein volles Jahr nach dem ursprünglich vorgesehenen Termin hat nun endlich im Linzer Landestheater die Uraufführung des „Ö d i p u s“ von Helmut E d e r stattgefunden. Alexander Paulmüller, der Linzer Opernchef, hat dieses Ereignis immer wieder hinausgeschoben und hat endlich die musikalische Leitung des neuen Werkes an den neu verpflichteten Kapellmeister Günther Lehmann abgegeben, obwohl das Werk, das bereits im August 1958 fertig vorlag, im Auftrag der ober-österreichischen Landesregierung und der Intendanz des Landestheaters geschrieben wurde. Ein um so besseres Licht fällt nun auf Lehmann, dem es gelang, den „Ödipus“ trotz aller Schwierigkeiten, die besonders der ausgedehnte Chorpart bot, innerhalb kürzester Frist aufführungsfertig zu machen, und der sich dabei zumindest als ein ausgezeichneter technischer Könner erwies.

Daß Eder für seinen musikdramatischen Erstling einen Stoff gewählt hat, der unwillkürlich Vergleiche mit Strawinsky und Carl Orff heraufbeschwören mußte, mag beinahe als vermessen angesehen werden. So standen die Zeichen für Eder und sein Werk nicht eben günstig, und in die gespannte Erwartung des Premierenpublikums mischte sich denn auch eine unverkennbare Dosis Skepsis. Um so höher ist der Erfolg zu werten, den Eder erringen konnte. Ist daran auch wesentlich die unverminderte Wirkungskraft der sophokleische'n Dichtung beteiligt, die dem Werk Eders in der Übersetzung W e i n s t o c k s und in einer dramaturgisch geschickten Straffung durch Fred S c h r o e r, den derzeitigen Linzer Intendanten, zugrunde liegt, so kann auch geltend gemacht werden, daß es Eder nicht nur gelungen ist, rotz Strawinsky und Orff eine eigenständige Tonsprache zu entwickeln, obgleich gewisse Einflüsse des letzteren, dessen Schüler Eder war, nicht zu leugnen sind. Vergleiche werden vor allem dadurch gegenstandslos, daß Eder das Werk sehr selbständig angelegt hat und sowohl die Oratorienhaftig-keit Strawinskys vermeidet wie auch die rezitativische Pathetik Orffs. Eder führt von den Hauptrollen lediglich die der Jokaste als Gesangspartie durch, während die der anderen, also auch die des Titelhelden, reine Sprechpartien sind, die lediglich musikalisch grundiert werden, und zwar auf eine Weise, die einen sehr wachen Sinn für Bühnenwirkungen verrät. Ein nicht eben glückliches Experiment bedeutet allerdings die Anlage der Rolle des blinden Sehers Teiresias, den er als zwischen den Menschen und Göttern stehend dadurch charakterisieren zu können glaubte, daß er die Worte synchron vom Darsteller auf der Bühne sprechen und von einem Tenor aus dem Orchester singen läßt, ein Verfahren, das sich kaum jemals befriedigend realisieren lassen dürfte.

Was die Aufführung betrifft, so hatte Eder das Glück, daß für seinen „Ödipus“ nicht nur ein überlegener Könner in Günter Lehmann gefunden worden war, sondern daß auch Darsteller zur Verfügung standen, die ihren Aufgaben gewachsen waren. So vor allem Otto David, der einen erschütternden Ödipus auf die durch Fred Schroer angemessen gestaltete Bühne stellte, dann Gertrude Burgsthaler als Jokaste, Ludwig Geiger als Teiresias und auch — mit einigem Abstand zu nennen — Hanns Franken, Albert Messany, Richard Elias, Hans Faber sowie Norman Paige und Ludwig Zinnöcker als Chorführer. Walter Thomas leitete das Spiel werkgerecht, Chor und Orchester vollbrachten ausgezeichnete Leistungen. Gemessen am starken Gesamteindruck, mögen ein paar ungelöste technische und szenische Probleme außer Betracht bleiben.

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