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„Große Totenmesse“ und Bauernoper

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Ein berühmtes und großartiges, aber fast unbekanntes Werk, das man auch in Wien seit 1930 nicht mehr hören konnte, wurde in memoriam Clemens Krauss durch den Staatsopernchor und die Wiener , Symphoniker unter der Leitung von Heinrich Hollreiser aufgeführt. Hector Berlioz erzählt, daß ihm — als er den Auftrag erhalten hatte, ein Requiem, für - die junigefallenen des Jahres 1830 zu schreiben — der Kopf fast zu bersten drohte vor. überschäumenden Gedanken und- daß ihn die Poesie dieser „Prose des morts" trunken machte und so sehr erregte, daß er -Schwindelanfälle bekam. Man werde ihn, wenn es ihm mit Gottes Hilfe gelänge, das Werk zu vollenden, zweifellos der Neuerungssucht zeihen, weil er diesem Stoff einen Ausdruck der Wahrheit geben wolle, wie man-ihn vorher überhaupt nicht gewagt habe. — Diese Wahrheit ist die höchst subjektive eines hochromantischen und, phantasievollen Künstlers, der sich in sblbstgeschaffenen Formen sehr eigenwillig ausdrückt. Trotz ungewöhnlicher und fast „erschreckender" Effekte, trotz der vier Bläser- chöri und einer ganzen Batterie donnernder Pauken, ist das Werk weder vom Theater noch von der Oper inspiriert. Der orchestrale und chorische Prunk ist nur das Medium für klangliche und bildliche Visionen, deren Größe und Gewalt sich wohl niemand entziehen kann. Daher darf dieses Werk, keineswegs mit „routinierter Leidenschaftlichkeit" interpretiert werden, denn Berlioz ist letzten Endes ein spröder Musiker, der zum Beispiel Soloinstrümente mit größtem Bedacht einzu- setzeh versteht. Es ist gut, bei diesem Requiem nicht nur an den Invalidendom, sondern auch an die Mönchszelle zu denken. Heinrich Hollreiser hat das . schwierige, überdimensionale Werk großartig interpretiert und damit eine seiner besten Leistungen gesetzt. Chor und Orchester ließen keinen Wunsch offen: eine denkwürdige Aufführung.

Gleichfalls denkwürdig, jedenfalls zum Nachdenken anregend, war die Aufführung der heiteren Oper in drei Bildern aus dem österreichischen Alpenland „Das W e r b e k 1 e i d" im Theater an der Wien. Text und Musik von Franz Salmhofer. Wir lesen im Programmheft: „Der

Florian ist zurückgekommen, der Liebste Kordulas, Sohn des Großbauern Veitinger. Ein Jahr war er in der Stadt zum Studium, und nun hat er, o Entsetzen, sich ein Stadtmädel mitgebracht. Um Christi willen, vielleicht ist das sein Schatz? Wo bleib denn dann i? singt Kordula in einer herzigen, von Geigen und Celli getragenen Melodie. Die Mahm rät, das Werbekleid anzuziehen, „‘s Werbekleid! Dös hat’s- so in sich, da drinn is a Kraft! All’n hat’s g’holfen!" Es hilft auch der Kordula. Soweit die Handlung. —- Und die Musik: „Es sind Klänge, in denen die Gefühlssprache unseres Bodens steht, die echte, innige, knappe, heitere Weiche Andantemelodien, mild und süß wie Heurigenmusik, die von fernher klingt. .. Gehobene Gstanzelmelodie.. . Sing, Sang und Gloria," Es war alles genau so, wie geschildert, und man wußte manchmal nicht recht: war man bei den Löwingern. die sich über Nacht in eine Bauernoper verwandelt haben, oder in der Wiener Staatsoper. Und -wie kam dies zu dem? „Bäuerliches Wesen als Oper zu gestalten, bedingt, da uns heute Blut und Bode’ri neue hehre Begriffe geworden sind, gläubiges, demütiges Versenken in die ländliche Seele." („Das Werbekleid" wurde 1943 am Salzburger Landestheater uraufgeführt und als erste zeitgenössische Oper dieser Spielzeit unter der musikalischen Leitung von Wilhelm Loibner im Theater an der Wien neueinstudiert. Regie: Alfred Jerger; Bühnenbilder: Hoesslin; Kostüme: Kniepert. In den Hauptrollen: Jurinac, Anday, Böesch, Czerwenka. Kmentt und Bräun.)

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