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Zur dramatischen Priester(nachwuchs)-Lage in Österreichs katholischer Kirche: Der religiöse Humus der säkularen Gesellschaft ist in Gefahr.

Bei den "derzeitigen kirchlichen Strukturen" könne er "keinem gesunden jungen Mann" mehr empfehlen Priester zu werden. Solches äußert kein kirchlicher Heißsporn, sondern der emeritierte Passauer Pastoraltheologe Karl Schlemmer in einem engagierten "Brief", in dem er größte Besorgnis über die Lage der Priester in der katholischen Kirche artikuliert. Schlemmer betont in seinen Ausführungen dabei ausdrücklich, dass er das Priestertum keineswegs als "überholte Institution" verstehe, ja er selbst sei "überzeugt und froh Priester", aber die Bedingungen für Priester heute wären "schier untragbar". (Schlemmers Text ist auf der Homepage der Furche www.furche.at nachzulesen.)

Auch Bruno Primetshofer, emeritierter Kirchenrechtler in Wien, ist kein Kirchen-"Revoluzzer": Berufungen gebe es genug, meint er in seinem Furche-Beitrag (Seite 7). Aber das Festhalten der katholischen Kirche an der rechtlichen Struktur des Zölibats hindere sie daran, diese Berufungen anzunehmen und zu nutzen. Was, so Primetshofer, einem anderen Grundsatz des Kirchenrechts widerspreche, nämlich, dass das Seelenheil oberstes Kirchengesetz sei: Und das bedeute, dass die Kirche "für eine ausreichende Zahl von geeigneten Seelsorgern Vorsorge zu treffen" habe.

Zitierte Positionen sind beileibe nichts Neues, sie wurden kürzlich ja auch von der "Pfarrerinitiative" rund um Helmut Schüller artikuliert.

Heißsporniger war da schon das - in der Substanz ebenfalls unspektakuläre - Interview des Linzer Priesterkandidaten Andreas Golatz im Standard, in dem dieser die heißen Eisen frank und unbedarft ansprach und einmal mehr kirchlichen Reformstau konstatierte. Das Interview bekam Golatz nicht gut, jedenfalls wurde die für den 29. Juni anberaumte Priesterweihe "verschoben", weil sich der Bischof der "Loyalität" Golatz' nicht mehr sicher war. Die laute, konservative Minderheit in Oberösterreich rund um den "Linzer Priesterkreis" und die Internet-Zeitung kath.net akklamierte dies und darf sich freuen, einen zu wenig Stromlinienförmigen abgeschossen zu haben. (Nebenbei bemerkt fragt man sich in dieser Causa schon auch, wieso der Standard da einen Schmiedl vorführte anstatt den Schmied, also die Kirchenleitung, ordentlich in die Pflicht zunehmen.)

Ob es nun, wie kirchliche PR-Aussendungen vorrechnen, 31 oder die zuletzt kolportierten 25 Priesterweihen anno 2006 sind - die geistliche Nachwuchslage ist empörend; umso pikanter, dass sich die Diözese Linz nun ihres einzigen Neupriesters (zeitweilig) begibt. Dazu kommen, gelinde gesagt, Besorgnisse über die Unausgewogenheit in der geschrumpften Kandidatenschar: Wir brauchen "keine frömmlerischen Jungs sondern einfach Priester", bringt es Pastoraltheologe Schlemmer auf den Punkt und legt dazu einen Ausspruch Johannes' XXIII. nach: Menschen "nicht zur Anbetung der Asche sondern zur Weitergabe des Feuers".

Wie gesagt, die Befunde sind alles andere als neu, dass die Hirten dies seit Jahr und Tag wegerklären, muss die Herde aber einmal mehr erregen. Kardinal Schönborn meinte vor kurzem in der ORF-Pressestunde, die Priesternachwuchssituation sei nicht "dramatisch" - das Gegenteil ist der Fall. Und man könne Lösungen nur im Einklang mit der Weltkirche finden. Doch dass auch Österreich Weltkirche ist, dass Bischöfe nicht bloß das Recht, sondern die Pflicht haben, die Nöte ihrer Herde auch in Rom zu thematisieren und für deren Lösungen zu streiten, darüber schweigen die hiesigen Kirchenleitungen.

Man wird beim derzeitigen Pontifikat realistisch und äußerst begrenzt optimistisch sein müssen, was strukturelle Änderungen in diesen Fragen betrifft. Aber die Kirche manövriert sich auch in Österreich in einen schwer auflösbaren Zirkel: Nur stromlinienförmigen Kirchentreuen in einem engen Sinn ist es beschieden, für Leitungsaufgaben aller möglichen Ebenen geeignet zu sein. Unkonventionelle, Widerständige und durchsetzungkräftige Neuerer kommen nicht zum Zug.

Die Priesterfrage rührt ans Herz der Kirchenkrise. Es herrscht Stillstand. Das ist in jeder Hinsicht gefährlich - gerade für den religiösen Humus der säkularen Gesellschaft. Wenn beschriebener Zirkel der Stromlinienförmigkeit aber nicht aufzubrechen ist, kann es gut sein, dass er zum Teufelskreis gerät.

otto.friedrich@furche.at

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