Wurstsemmel & Consulting

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Eine Einführung Expertensprech und Therapeutenjargon.

Die Rede ist, wie mein Lieblingsphilosoph Gorgias sagt, eine mächtige Herrin oder, wie ich selbst es ausdrücken möchte, die Simsalabimisierung der Wirklichkeit. Wer schöne Worte machen kann, muss sonst nicht viel tun und bringt es zu etwas im Leben; wer nicht, der steht blöd daneben.

Wenn Sie nicht zu denen gehören wollen, die blöd daneben stehen, dann sitzen sie nicht mit aneinander gepressten Beinen da wie ein Volksschüler, der aufs Klo muss, und fragen Sie nicht banal, was denn los ist, sondern "analysieren Sie die Ist-Situation". Jammern Sie nicht über Ihr Los, sondern machen Sie Supervising. Reden Sie in einem Gespräch nicht einfach daher, sondern "initiieren" Sie "Kommunikationsstrategien". Wenn Sie mit dem Initiieren Probleme haben sollten, dann "positionieren" Sie das Ganze einfach, und falls Kommunikationsstrategien zu wenig sind, nehmen Sie am besten gleich "integrierte Kommunikationsstrategien" (die gibts heute schon zu durchaus erschwinglichen Preisen beim netten Kommunikationsprofi von nebenan). Früher einmal, vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren war hier eine Fleischhauerei: Da hat es immer gut gerochen und die Extrawurstsemmel mit Gurkerl hat fünf Schilling gekostet, allerdings war der Fleischhauer ein blutiger Kommunikationsamateur. Dann ist der Fleischhauer in Pension gegangen, und aus der Fleischhauerei ist eine Schusterwerkstatt geworden: Jetzt hat es nicht mehr nach Fleisch, sondern nach Leder, aber gewissermaßen immer noch nach Tier gerochen. Der Schuster hat mit Nadel, Leim und Hammer Reparaturen durchgeführt, war aber rein kommunikativ auch eher ein muffiger Typ. Und jetzt also ein Kommunikationsbüro, das gar nicht riecht. Nur auf der Außenfassade des Gebäudes kleben noch immer die weißen Fliesen der Fleischhauerei. Wer weiß, vielleicht kommt ja wieder einmal eine Zeit, in der man Fleischhauer dringender braucht als Kommunikationsprofis, und dann ist es gut, wenn die Fliesen gleich vorhanden sind.

Wie auch immer: Wenn es mit der "integrierten Kommunikationsstrategie" nicht klappen will, kann man es alternativ immer noch mit "strategischer Unternehmenskommunikation" probieren. (Umtausch mit Kassabon.) Wenn Sie zukünftig mit Ihrer Frau plaudern, seien sie nicht einfach banal und bieder "einer Meinung", sondern "nutzen" Sie "Synergieeffekte". Da verrichten Sie dann gleich auch Beziehungsarbeit. Und reden Sie bitte schön nicht mit mehreren Leuten, sondern "bauen" Sie "Kommunikationsnetze auf". Machen Sie sich nicht wichtig und geben Sie keinen guten Rat, der teuer ist und ohnehin von niemandem befolgt wird; werden Sie lieber Consulter und coachen Sie! Machen Sie also aus zwischenmenschlichen Automatismen ganz gezielt eine Wissenschaft!

Machen Sie damit aber trotzdem pleite (weil die Fleischhauer und die Schuster schlicht zu konservativ, zu blöd und zu geizig sind, um sich von Ihnen coachen zu lassen), und ist unglücklicherweise weder ein Sparbuch zu plündern, noch ein Erbe zu verprassen (das haben Sie ja gleich eingangs in der Investitionsphase getan), wenden Sie sich ihrerseits vertrauensvoll an den nächsten Consultingkollegen. Aber nehmen Sie nicht einfach irgendeinen Consulter - Sie haben ja auch nicht einfach irgendein Problem! -, sondern einen Consulting-Guru. Wenn der Consulting-Guru nichts taugt, nehmen Sie einen Consulting-Papst. Wenn der Consulting-Papst nichts taugt, nehmen Sie einen Spin-Doctor. Der wird Ihnen nicht sagen, dass Sie selber sehen müssen, wo Sie bleiben (denn damit schnitte er sich ja ins eigene Fleisch; er ist aber kein Fleischhauer mehr), sondern er wird es (zzgl. 20% ust) mit der schonenden Aktivierung Ihrer intellektuellen Eigenressourcen versuchen (das hätte der Fleischhauer nie gewagt). Oder er bietet Ihnen Ihr brandneues "individuelles Startpaket: Unternehmensrelaunch" an. Auf alle Fälle sollten Sie sich jetzt das schöne Wort "Wandelschuldverschreibung" merken! Klingt das nicht wie aus dem Kochtopf einer Kräuterhexe herausgeblubbert? Eben. Sie könnten also "Mittel über einen Zukunftsfonds lukrieren, der aus der Wandelschuldverschreibung an der Bank gespeist wird". Mahlzeit! Das machen Politiker auch immer so, wenn sie an sich pleite sind.

Wegen all dieser genialen Dinge steht auf dem Glasfenster des Geschäftsbüros auch "Kommunikation ist mehr". Der absolute Komparativ! - ein toller Trick, wenn auch weder patentiert, noch urheberrechtlich geschützt. Und keine Ladenpreisbindung. Auch Extrawurstsemmeln sind mehr. Und Damenstiefel. Nur wissen Sie es nicht. Wenn Sie also ein Nichts auf Lager haben, packen Sie Ihr Nichts mit Sprache so gut zu, dass man von Ihrem Nichts gar nichts mehr bemerkt. Packen Sie Ihr Nichts so gut ein, dass es alle haben wollen.

So. Sind Sie auf den Geschmack gekommen? Wenn Sie noch immer auf der Suche nach unverbindlich schönen Worten zur Aufpäppelung Ihrer womöglich durchschnittlichen Existenz sind, dann empfehle ich Ihnen hier als Angebot des Tages wärmstens die "Offensive". Die heißt nicht viel und klingt enorm. Früher einmal Requisit des Fußballtrainervokabulars, das sich je nach Ausgangslage zur Präzisierung noch in "kontrollierte" oder "bedingungslose Offensive" detaillieren ließ, hat die "Offensive" längst Eingang in alle Lebensbereiche und Coachingformen gefunden. Wenn sich bei der Wandelschuldverschreibung doch keine Schuld verwandelt haben sollte, gehen Sie nicht einfach auf Arbeitssuche, sondern starten Sie eine Beschäftigungsoffensive. Lesen Sie keine Stellenangebote, starten Sie lieber eine Breitbandinitiative im Arbeitsmarktbereich. Sagen Sie niemandem, dass Sie wegen ihm keine Extrawürste machen. Starten Sie lieber eine Gleichbehandlungsoffensive. Statt des grauen Alltags mit Kindern, Frau und Fernsehquiz: Erziehungsoffensive, Beziehungsoffensive, Bildungsoffensive. Denken Sie nicht lange nach, starten Sie besser eine Reflexionsoffensive. Steigen Sie keine Frauen an, starten Sie eine Charmeoffensive. Haben Sie nicht einfach Hunger, starten Sie eine Extrawurstsemmeloffensive (inkl. Gurkerloffensive).

Wenn Ihnen überhaupt nichts mehr einfällt, dann bleibt nur noch eins: Starten Sie eine Zukunftsoffensive! Da können Sie gar nichts falsch machen. Denn die nächste Zukunft kommt bestimmt, sobald die Gegenwart vorbei ist. Garantiert. 100%!!! Und sollte die Zukunft von sich aus nichts heißen: Integrierte Kommunikationsstrategie! Sollten Sie die pr-Maßnahmen des Consulters der Zukunft nicht überzeugen, sagen Sie ihm nicht einfach unschön ins Gesicht, dass er den Mund halten oder sich selber consulten soll. Empfehlen Sie ihm lieber eine Mitteilungsdefensive. Wenn dem Consulter fad wird, könnte er es, bis die New Economy zu greifen beginnt, mit der Old Economy probieren und zum Beispiel Wurstsemmel verkaufen.

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