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DEAN RUSK / EIN NEUER TYP VON AUSSENMINISTER

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„Was wir sage und wie wir in den Augen der Welt erscheinen möchten, ist von minderer, temporärer Bedeutung, verglichen mit der Art, in der wir unsere innere und äußere Politik führen. Keine Propaganda ist so wirksam wie der wohlverdiente Ruf, eine vitale Gesellschaft zu sein, die ihren Bürgern wachsende Möglichkeiten des Aufstieges bietet und ihre Beziehungen zur Umwelt auf gegenseitigem Respekt und fundamentaler Anständigkeit aufbaut.“

Diese Sätze stehen in einem Aitfsatz in der Aprilnummer der angesehenen amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs“. Dieser Aufsatz setzt sich kritisch mit der spektakulären Außenpolitik des John Foster Dulles und Eisenhowers auseinander. Er trägt den Titel „Der Präsident“ und ist voll von besonnenen, ruhigen Ratschlägen für einen künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten. „Ich bin der Meinung, daß man an die Gipfeldiplomatie mit der Vorsicht herangehen sollte, mit der ein umsichtiger Arzt eine Medizin verschreibt, die leicht zur Gewohnheit werden kann, und glaube, daß Gipfeltreffen selten und nur in den außergewöhnlichsten Fällen stattfinden sollten und nicht zur gefährlichen Gewohnheit werden dürfen.“

Das wurde im April i960 veröffentlicht, im Rückblick auf acht Jahre Außenpolitik der Ära Dulles-Eisenhower. Am 20. Jänner 1961 tritt der Verfasser dieses Aufsatzes als Außenminister der USA sein Amt an: Dean Ru sk. Es gibt Stimmen, die meinen, dieser am 9. Februar 1909 auf einer kleinen Farm in Georgia geborene Mann, „der Professor“, sei von Kennedy nur als eine Art Handlanger gewählt worden, um sich möglichst viel Führungsarbeit selbst vorzubehalten. Wir glauben, diese Stimmen verkennen Kennedy und Dean Rusk. Der neue Präsident weiß, und seine sehr behutsam vorgenommenen Ernennungen in seinem Kabinett bezeugen es bereits, daß eine Riesenlast innerpolitischer Arbeit auf ihn wartet, will er Amerika aus der gegenwärtigen Sackgasse und nervösen

Immobilität herausführen. Deutlich genug hat er selbst Dean Rusk als einen Mann des Geistes und der Tat bezeichnet. „Der Professor“, Dean Rusk, ist tatsächlich beides. Und er hat durch seine Wissenschaftspolitik und seine politische Aktivität bereits bewiesen, daß er beides versteht und beherrscht: die fundierte Analyse einer weltpolitischen Situation und die schnelle Entschlußfreudigkeit. Dieser Professor war in einer nahen Vergangenheit entscheidend beteiligt an zwei der größten Entscheidungen, die von den USA nach 1945 außenpolitisch getroffen wurden.

Von einem Bankett hatte man ihn weggeholt, den Unterstaatssekretär für fernöstliche Angelegenheiten, im schwülen Juni 1950. In Südkorea waren die nordkoreanischen Kommunisten eingefallen. Rusk kannte, vom Krieg als Infanteriekommandeur und später als stellvertretender Stabschef auf dem chinesisch-burmesischen Kriegsschauplatz, den Fernen Osten. Nach einer Beratung von 90 Minuten im Außenamt konnte der damalige Außenminister Dean Acheson Präsident Truman informieren, daß die Sachverständigen ein Eingreifen der Vereinten Nationen befürworten. Daraufhin griffen die USA in Korea ein. Ein zweitesmal erwies sich der Rat des Dean Rusk als nicht weniger entscheidungsschwer. General MacArthur trat bekanntlich für eine Ausweitung des Korea-Krieges über den Yalu-Fluß hinaus ein. Wir wissen heute, daß dies den dritten Weltkrieg bedeutet hätte. Damals gab es in Amerika darüber sehr andere Meinungen und Aktionspläne. Dean Rusk trat für eine Begrenzung der militärischen Aktion ein. Der General mußte gehen und hat später die Richtigkeit seiner Abberufung selbst eingesehen.

1956 erscheint Dean Rusk in Wien und Budapest. Als Präsident der Rockeieller-Stiftung setzt er sich hier für die geflüchteten ungarischen Wissenschaftler und Studenten ein. Während der acht Jahre, die er an der Spitze dieser Institution steht, wurden 247 Millionen Dollar für die Förderung von Wissenschaft und Erziehung ausgegeben. Der Blick dieses Mannes, der als Stipendiat in Oxford und Berlin studiert hat und der von 1934 bis 1940 am Mills CollegeJn Oakland, Kalifornien. Staatsw.issenschaften lehrte, ist gerade auch auf Osteuropa gerichtet: Polen und Jugoslawien, die erwachende Intelligenz in den Oststaaten, sind ihm ein echtes, furchtbares Problem. - Kennedys Kennzeichnung des Dean Rusk als eines „Mannes des Geistes und der Tat“ will also sehr genau verstanden werden: die Tat setzt, soll sie gelingen und sich nicht in Geräuschen von Phrasen verpuffen oder gar in Kriegsgeräuschen explodieren, den Geist voraus: nicht einen Schwarmgeist, sondern Wissen, Kenntnis. Bildung. Besonnenheit. Man darf gespannt dem Wirken dieses Mannes entgegensehen.

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