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Der 20. Juli 1944 in Wien

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Die Darstellung der äußeren Ereignisse des 20. Juli 1944 im Wiener Wehrkreis XVII wurden in Nummer 34 der „Furche” abgeschlossen. Die Schwierigkeiten der Quellenbeschaffung, der Mangel an erhalten geblie- benen Akten, das Aufspüren der noch lebenden Augenzeugen… dies alles sei in diesem abschließenden Kapitel erzählt. Der Leser, der der Serie mit Aufmerksamkeit und Interesse gefolgt ist, wird hier mit der Arbeitsmethode des Historikers, der sich die Erforschung der letzten Jahrzehnte unserer Geschichte zum Ziel gesetzt hat, vertraut gemacht. Die Angaben über die — wenn auch spärlich — vorhandene Literatur werden in so manchem Leser den Wunsch wecken, sich genauer mit dem Problemkreis, der in der Serie der „Furche” nur angedeutet worden war, zu beschäftigen.

Eine Darstellung der Ereignisse des 20. Juli 1944 in Österreich stieß zunächst auf gewisse Schwierigkeiten, die vor allem von der Quellenlage her bedingt sind. In seiner ersten zusammen- fassend n Arbeit über die österreichische Widerstandsbewegung verwendete Otto Molden vor allem die Schilderung des Hauptmanns im Generalstab Karl S z o k o ll, ferner die entsprechenden Stellen in dem Erinnerungswerk/ von Lois Weinberger sowie die Aufzeichnungen von Dr. Adolf Schärf, unter Beiziehung verschiedener Nebenaussagen einzelner Beteiligter. Als Molden seine Arbeit vollendet hatte, waren verschiedene primäre Quellen und Aussagen noch nicht vorhanden, die in der Untersuchung der „Furche” Verwendung fanden. Vor allem fehlte der Originaltext der sogenannten Kaltenbrunner-Berichte, die erstmalig von Prof. Gerhard Ritter teilweise für seine Biographie Carl Goerdelers in den amerikanischen Archiven eingesehen werden konnten. Inzwischen wurde der Bericht von amerikanischen Behörden freigegeben und liiegt; Sowohl verfilrrtt-als ‘auch in einem wortgetreuen Abdruck vor.

Die Kaltenbrunner-Berichte sind für die Ereignisse des 20. Juli 1944 eine Quelle ersten Ranges, da sie, auf Grund der Erhebungen der noch sehr im dunklen tappenden Gestapo- und Parteistellen, eine tägliche Zusammenfassung der Erhebungsergebnisse an Reichsleiter Martin Bormann als den allmächtigen Sekretär Hitlers darstellen.

Hitler wird gewarnt

Bormann gab diese Berichte zur täglichen Lektüre an Hitler weiter. Mehrmals schon wurde vermutet, daß die Offenheit, mit der in diesen Berichten der ganze Umfang der Erhebung des 20. Juli geschildert wurde, darauf berechnet war, von seiten Kaltenbrun- ners Hitler zu warnen, um damit die zuerst ausgegebene Parole einer bedeutungslosen Gruppe zumindest für den innerparteilichen Gebrauch zu zerstören.

Was Österreich betrifft, enthielten die Kaltenbrunner-Berichte eigentlich nur verschiedene Tatsachen über den Verlauf des 20. Juli in Wien, jedoch keinerlei Erklärungen über die politischen Hintergründe, schon gar nicht über die Auswirkung auf die breite Masse der Bevölkerung. Diese Auswirkung trat erst später ein, und hier war ein längere Zeit unbekannt gebliebener Bericht, der direkt aus der Feder Kal- tenbrunners stammt, von besonderer Bedeutung gewesen, nämlich ein Stimmungsbericht, den Kaltenbrunner nach einer Rundreise durch die sogenannten „Alpen- und Donaureichsgaue” an Bormann am 14. September 1944 als Blitzfernschreiben richtete. Darin wird nicht nur auf die stimmungsmäßige Verschlechterung in Wien hingewiesen, wobei gewisse „Österreich-Tendenzen” hervorgetreten seien, sondern auch das geschwundene Selbstbewußtsein der Wehrmachtsstellen, die sich offenbar unter der Auswirkung des 20. Juli 1944 befanden, hervorgehoben.

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