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Hitler, wie ihn nur sein Freund sehen konnte

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In meiner Besprechung über das Buch von Joachim C. Fest über „Hitler“ kam ich zu dem Schluß, daß nach Erscheinen dieses Werks und der Erinnerungen des ehemaligen Ministers Speer es kaum mehr möglich und daher auch nicht nötig sein würde, Neues oder Wissenswertes über den deutschen Diktator zu schreiben. Das vor kurzem erschienene Buch des Leibphotographen Heinrich Hoffmann „Hitler, wie ich ihn sah“ bestätigt diese Auffassung vollinhaltlich. Wer dieses Buch in der Absicht zur Hand nimmt, neue Informationen oder auch nur Interessantes daraus zu erfahren, wird auch dann enttäuscht, wenn er dem Autor ein objektives Urteil über seinen Brotgeber gar nicht zumutet und ihm zubilligt, daß er dazu gar nicht in der Lage ist. Was in diesem Buch zu lesen ist, ist nicht einmal auf dem Niveau einer Froschperspektive, sondern einfach die Aufzählung historisch völlig uninteressanter, persönlicher Erlebnisse, die noch dazu durch Kommentare ergänzt werden, die man von jemanden nicht erwartet, der immerhin das Jahr 1945 um etliche Jahre überlebt hat und — das ist vielleicht das einzige Bemerkenswerte an diesem Buch — ein persönlicher, ja vielleicht der persönlichste Freund Hitlers gewesen ist.

Was soll man z. B. dazu sagen, wenn der Autor in dem Kapitel „Ich habe Niemöller verhaften lassen“ schreibt: „Sicherlich hat die Kirche zu wenig getan, die Kluft zwischen sich und dem Nationalsozialismus zu überbrücken... Zu wirklich tragischen Konflikten mit der Kriche kam es jedoch nie. Beim Neu Jahrsempfang der Diplomaten war stets der Vertreter des Vatikans, Msgr. Orsenigo, anwesend, der Hitler die Glück- und Segenswünsche des Papstes überbrachte.“ Als ob der Doyen des Diplomatischen Korps etwas anderes hätte tun können!

Die Qualität des Buches leidet auch unter der (vielleicht nur vorgetäuschten) Ahnungslosigkeit des Autors, wenn er z. B. bei der Besprechung der Besetzung Österreichs schildert, daß er die Fahrt Hitlers über Simbach nach Braunau am 12. März 1938 in seinem Wagen mitgemacht hat, ohne zunächst zu wissen, worum es sich eigentlich handle. „An der Grenze zwischen Deutschland und Österreich, mitten auf der Brücke, stand ein deutscher Offizier er machte Hitler Meldung... Erst jetzt merkten wir, was die Simba-cher bereits wußten: Die Fahrt ging nach Österreich!“ Soviel .Ahnungs-losigikeit“ nimmt man auch einem Photographen nicht alb.

Bezeichnend ist auch die im Kapitel „Kinder, Stalin ist einverstanden!“ offen dargelegte Bewunderung, die Hoffimann Stalin entgegenbringt, „der mir mit freundlichem Lächeln herzhaft die Hand schüttelte.“ Hoffmann hatte im Auftrag Hitlers Stalin auch „die herzlichsten Grüße und Wünsche meines Freundes Adolf Hitler zu übermitteln. Er würde sich freuen, den großen Führer des russischen Volkes eines Tages persönlich kennenzulernen!“ An das Kabarettistische grenzt dieses Memoirenwerk, wo über die Geheimhaltungsmaßnahmen berichtet wird. So lesen wir, daß Hoffmann eines Abends zu Hitler mit folgender Information befohlen wurde: „Wir machen eine Reise, über die Sie strengstes Stillschweigen bewahren müssen. Ihren Photoapparat darf niemand sehen. Nehmen Sie nur das nötigste Gepäck mit! Benutzen Sie nicht den Hotellift! Kommen Sie unauffällig durch die Hintertür in die Reichskanzlei herüber!“ Die Fahrt ging per Auto zu einer Eisenbahnlinie wo auf freier Strecke ein Sonderzug bereitstand, der zunächst in nördliche Richtung bis Celle fuhr. Nach weiterer stundenlanger Fahrt stellten die Teilnehmer an dieser Reise fest, daß sie ein zweites Mal durch Celle fuhren, und im Morgengrauen des 10. Mai 1940 teilte Hitler seiner Begleitung im Zug mit, daß soeben die Offensive im Westen begonnen hätte.

Der Autor ist nicht mehr am Leben; das Buch wurde von seiner Tochter herausgebracht. Er schrieb es nach einer fünfjährigen Haft in verschiedenen Lagern und Gefängnissen in amerikanischem Gewahrsam, auf Anraten eines englischen Berufskollegen, der sich für seine Freilassung eingesetzt hatte. Man kann aber über solche Bücher, auch wenn der Autor nicht mehr am Leben ist, nicht schweigend hinweggehen, weil sie geeignet sind, über die schreckliche Zeit zwischen 1933 und 1945 gegenüber der historischen Wahrheit ein falsches Bild zu vermittein. Die einzige Enitschuldigung für Bücher dieser Art erwähnt der Autor selbst zum Abschluß seines Buches: „Ich erkannte, warum Hitler mich fast ein Viertel Jahrhundert lang an seiner Seite haben wollte, denn als Zeugen seiner Epoche ist nichts geblieben, als meine Bilder. Das Mächtige verging, geblieben ist die hauchdünne Filmschicht auf Zelluloid. Mein erstes Bild war der junge Hitler von 1922 und mein letztes, der gebeugte, vom Schicksal zerschlagene Hitler, kurz vor seinem Tode — zwischen den Trümmern seiner Reichskanzlei. Dann habe ich die Kamera weggelegt, ich habe keine Aufnahme mehr gemacht. Hitler brauchte einen Mann neben sich der als Augenzeuge 25 Jahre seines Lebens im Bild festhielt. Und dieser Mann war ich.“

Wenn der Verlag auf der Um-schlagseite behauptet, daß dieses Buch für die Hitlerforschung eine außerordentliche Bereicherung darstelle und daher notwendig wäre, so irrt er!

„HITLER, WIE ICH IHN SAH.“ Von Heinrich Hoffmann, Verlag Herbig, 232 Seiten, zahlreiche Illustrationen.

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