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Im Spiegel der Prozeßakten

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Jedenfalls haben solche propagandistischen Äußerungen, vor allem die der alliierten Rundfunkstationen, neben der Moskauer Deklaration die Vorstellungswelt der österreichischen Opposition mitbestimmt. Trotz der Absperrung und der strengsten Zensur sind viele Presseäußerungen der Alliierten in Österreich bekanntgeworden. Die vorläufig noch sehr wenig ausgewerteten, nur teilweise vorhandenen Berichte der Dienststellen der Gestapo und des Sicherheitsdienstes, die immer wieder die Stimmung der Bevölkerung wiedergeben, weisen schon vor 1944 darauf hin, daß mit einer Befreiung Österreichs für den Fall eines Alliierten Sieges zu rechnen war. Diese Vorstellung der Oppositionskreise und der aktiven Widerstandsbewegung, vor al- lem ihrer zivilen Gruppen, spiegelt sich in den Prozeßakten gegen einzelne dieser Gruppen, von denen ein jüngst auf- gefundener Akt,” nämlich der des Pr P zesses gegen die Gruppe Karl Roman Scholz, mit Herangezogen wurde:’

Die Unsicherheit der Parteispitzen

Ist somit die Quellenbasis umschrieben, so soll noch abschließend bemerkt werden, daß die Ereignisse des 20. Juli 1944 in Österreich und vor allem in Wien dank der perfekten Vorbereitung der „Aktion Walküre” in der Neufassung vom 31. Juli 1943 ebenso wie in Paris und Prag fast zum Erfolg geführt hätten, wenn nicht die Grundvoraussetzungen, nämlich das Gelingen des Attentates und die Besetzung der Zentralstellen in Berlin, mißlungen wären. So gesehen ist der 20. Juli 1944 auch ein wichtiges Datum in der Geschichte Österreichs, da sich von da an die all gemeine Unsicherheit der obersten Wehrmachtsstellen und der Parteiführung in der Frage der Zuverlässigkeit der „Alpen- und Donaureichsgaue” mehr und mehr offenbart, wie dies schon in dem erwähnten Bericht Kaltenbrunners vom Herbst 1944 deutlich zutage tritt. Die Verhaftungen nach dem 20. Juli 1944 umfaßten vor allem politische Funktionäre Österreichs aus der Zeit vor 1938, die in irgendeiner Form mit den ehemaligen politischen Parteien in Verbindung standen. Für eine Reihe dieser Politiker drohte das Fallbeil. Von einer eigentlichen Zerschlagung der schon vorhandenen Oppositionsgruppen kann allerdings nicht gesprochen werden, da nur Spitzenfunktionäre ausgeschaltet wurden, jedoch sowohl innerhalb der Wehrmacht als auch der zivilen Widerstandsgruppen zahlreiche Zellen und Verbindungen sich dem Zugriff entziehen konn- m-X gammeMcljgr fcQirfp 4W rife UP itfrischeq GtJIPpm, im letzten Drittel des Jahres 194i4. konnte nicht mehr Gegenstand dieser Untersuchung sein, obwohl gerade mit dieser Organisation der Grundstein gelegt wurde für die Zusammenarbeit aller patriotischen Kräfte.

Die Schwierigkeiten also, denen sich der Forscher bei der Untersuchung der militärischen Aktionen des 20. Juli 1944

gegenübergestellt sieht, sind nicht gering. Die vorhandenen schriftlichen Quellen aber, ergänzt durch die Erinnerungen noch lebender Augenzeugen, machten es möglich, ein fast lückenloses Mosaikbild der Auswirkungen der Aktion „Walküre” im Wiener Wehrkreis XVII zu entwerfen — ein nicht unehrenhaftes Kapitel der Österreicher in deutscher Uniform!

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