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Dubcek ohne seine Partner

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Ist es schon ein schwieriges Unterfangen, die vielfachen Fronten der Duböek-Gegner, der gefährlichen und der überalterten, der offenen, versteckten und vermutlichen Feinde des gegenwärtigen Ersten ZK-Sekretärs zu erhellen, so ist es kaum schwieriger, aufzuzeigen, wo überall Duböeks Mitstreiter der ersten Wochen und Monate auf der Strecke blieben.

Der stärkste und früheste Knalleffekt wurde dort erlebt, wo die Duböek-Mtstreiter nicht gerade dick gesät waren, bei den Offizieren und Generälen. Das Moskauer Mißtrauen war übrigens gerade hier besonders sichtbar. Merkwürdigerweise hat „der wertvollste Überläufer der letzten zwanzig Jahre“ (so der „Evening Star“!), der tschechische Generalmajor Jan Sejna, Moskau weniger schockiert — vermutlich weil Sejna ein Novotny-Mann war — als ein anderer General, Wenzel Prchlik. Prchlik, an sich auch ein Mann der Gottwald-Zapotocky-Novotny-Zeit, hat vom bedeutsamen Podest eines Chefs der Hauptverwaltung für politische Angelegenheiten im Ministerium für Nationale Verteidigung das Seine beigetragen, daß das Militär keinerlei Aktionen zugunsten der Stützung Novotnys im Jänner 1968 unternahm. Das beschleunigte seinen Sprung in die Parteispitze als Chef der achten Abteilung des ZK mit der Zuständigkeit für Sicherheitsfragen (Armee, Polizei und Justiz). Generalleutnant Prchlik ersetzte hier Miroslav Mamula, der erst Wochen vorher Sejna zur Beförderung zum General vorgeschlagen hatte. Im Ver-teiddgungsminiisterdum wurde schon im Jänner 1968 Prchliks Nachfolger in der politischen Hauptverwaltung der Partei — wenn auch nur kurzfristig — General Egyd Pepich. Bei der Bildung der slowakischen Staatsregierung wurde Pepich slowakischer Innenminister. Weidher Posten, der der politischen Hauptverwaltung der Armee oder der des slowakischen Innenministers für Dubcek und für Pepich der wichtigere ist, wird man Als General Prchlik am 15. Juli 1968 in einer Pressekonferenz eine weitgehende Umgestaltung des Warschauer Paktes forderte, wurde er Moskaus erstes prominentes Opfer. Die schweren sowjetischen Angriffe führten dazu, daß das Parteipräsidium bereits am 26. Juli seine Freistellung für den aktiven Armeedienst beschloß, taktisch geschickt gleichzeitig die bisher von Prchlik geführte Abteilung im ZK auflöste.

War Prchliks „Abschuß“ die erste der Maßnahmen zur Entfernung von Mitstreitern Duböeks, so wurde das „Revirement“ beim Fernsehen, Rundfunk und bei der Presse die spektakulärste Erscheinung. Am auffallendsten wurde die Entfernung des Fernsehchefs Jir'x Pelikan und des Rundfunkchefs Zdenek Hejzlar, der erst am 25. Juli von der Regierung ernannt worden war. Beide Entlassungen wurden am 25. September 1968, unmittelbar vor einem neuerlichen Gipfeltreffen der tschechischen Spitzenpolitiker in Moskau, ausgesprochen, scheinbar, um von vornherein das Verhandlungsklima zu verbessern.

Als Gottwald 1952 eine Reihe politischer Prozesse gegen die Intellektuellen in der Partei, gegen die Juden und die „bourgeoisen Nationalisten“ anlaufen ließ, war der erste,wuchtige Schlag gegen die wenigen kommunistischen Juden geführt worden. Von 14 Angeklagten im Hauptprozeß wurden elf zum Tode verurteilt und hingerichtet, von denen wieder acht (Slänsky, Gminder, Sling, Reicin, Fischl, Margolius, Frejka, Simon) Juden waren. Die kümmerlichen Reste — damals vielfach zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt und nie so richtig rehabilitiert, waren 1968 entscheidend am Demokratisierungsprozeß beteiligt (etwa der Prorektor der Prager Universität, Prof. Goldstücker, der 1968 Präsident des Schriftstellerverbandes wurde; der einstige stellvertretende Außenhandelminister Evien höhl, nunmehr Präsident der slowakischen Nationalbank). Zu diesen, die bald in der sowjetischen Schußlinie lagen, waren andere getreten, wie etwa der stellvertretende Ministerpräsident Prof. Ota Sik; der aus Stanislau gebürtige jüdische Kommunist Frantisek Kriegl, der 1968 nur sehr kurzfristig Präsident der Nationalen Front bleiben konnte, dazu aber auch der Rektor der Parteihochschule, Milan Hühl, der sich auf diesem Posten noch hält, aber auch schwersten sowjetischen Angriffen ausgesetzt war. Alles in allem ist das jüdisch-kommunistische Element, ein wesentlicher Falktor im Demokratisierungsprozeß des Jahres 1968, sichtbar zurückgedrängt und hat vor allem in der Parteispitze keinerlei wichtige Positionen mehr inne.

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