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Ein trojanisches Pferd

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Die große Regieführung, die das Abrollen der kirchlichen Schauprozesse in den Oststaaten einheitlich regelt, hat nach Ungarn, Böhmen, der Slowakei, mit dem „Prozeß“ gegen den Temesvarer Diözesanbischof Augustin P a c h a vor einem Militärgericht der rumänischen „Volksarmee“ im September dieses Jahres wieder Rumänien in den Vordergrund treten lassen.

„Niemand“, so heißt es in Art. 3, 4 und 5 des rumänischen Kultusgesetzes vom Jahre 1948, „darf seines religiösen Glaubens wegen verfolgt werden.* „Niemand darf gezwungen werden, an Gottesdiensten eines fremden Kultes teilzunehmen.“ „Niemand darf durch Bezeigung konfessionellen Hasses die freie Religionsausübung eines anerkannten Kultes beeinträchtigen.“

„Anerkannte Kulte“ waren in Rumänien 12 Millionen orthodoxe Christen, 3 Millionen katholische (1,8 Millionen „unierte“, 1,2 Millionen römische Katholiken) und etwa ebenso viele Angehörige verschiedener Bekenntnisse.

Das Jahr 1948, welches das im ganzen überaus harte Kultusgesetz bescherte — es hieß unter anderem die Kündigung des Konkordats gut —-, hob die konfessionellen Schulen auf und beschlagnahmte deren Vermögen, beschnitt die caritative Betätigung der Kirchen, verbot ihre Jugendarbeit, leitete ihre Auslandsbeziehungen (Verkehr mit dem Vatikan) über das staatliche Außenamt, schaffte das kirchliche Jurisdiktionsrecht ab und gab den Priestern Beamtencharakter, lieferte 6ie also der staatlichen Exekutive auf Gnade und Ungnade aus und anderes mehr — dieses für die Bolschewisierung Rumäniens überaus bedeutungsschwere Jahr 1948 brachte auch die Gründung einer Geheimen Staatspolizei. Damit ist alles gesagt.

Man begann damit, daß man die unier-ten Katholiken mit roher Gewalt, die selbst die Heiligkeit des Kirchenraumes nicht schonte und Priester am Altar ermordete, in die orthodoxe „Mutterkirche“ zurückzwang, die sie vor einem Vierteltausend von Jahren aus freiem Entschluß verlassen hatten. Der Wegnahme der Schulen, Auflösung der Jugendverbände, Konfiszierung der Kirchenvermögen, Verfolgung und Vertreibung der Mönche und Klosterfrauen folgte die Kaltstellung, Internierung und Verhaftung aller höheren Würdenträger der katholischen Kirche. Ohne Erzbischof, ohne einen einzigen Diözesanbischof — die, soweit sie noch am Leben waren, alle in Kerker und Zwangsarbeitslagern schmachteten —, von seinen Verbindungen mit der geistlichen Führerschaft völlig abgeschnitten, sollte das katholische Kirchenvolk eine Beute des dialektischen Materialismus werden. Der Arbeitsbericht der Volltagung des P. M. R. (= rumänischen KP) vom 11. Juni 1948, in dem die Richtlinien für die Bolschewisierung des Landes niedergelegt sind, hat in Punkt 3 des ersten Hauptabschnittes dieses Vorgehen mit brutaler Offenheit begründet. „Die Führung der katholischen Kirche führt eine aktive Propaganda gegen das volksdemokratische Regime.“

Darum also auch jetzt der Schauprozeß gegen Pacha: weil die moskowitischen Lenker wissen, daß die hohen Kirchenwürdenträger zwar nicht kleinlich zetteln und schieben, daß sie aber, dem Auftrag Christi und seiner Kirche getreu, das

Herz des Widerstandes gegen Entseelung, Materialisierung, geistige und geistliche Versklavung, Entrechtung, Raub der menschlichen Würde und Freiheit sind. Zwischen der Freiheit des Christen und dem, was der Kommunismus als Freiheit verkündet, klafft ein unüberbrückbarer Gegensatz. Von allen christlichen Bekenntnissen hat die römische Kirche ihn am schärfsten betont. Sie ist darum vor den anderen Bekenntnissen, denen dieser Weg auch nicht erspart bleiben wird, die Kirche der Bekenner und Märtyrer geworden.

Aus massivem Unglauben und einer erschreckenden Halbbildung heraus, welche die lebendigen Kräfte der Transzendenz leugnete, strebte Hitler nach der Vernichtung von Kirche und Christentum. Die Russen sind auch in diesem Belang klüger. Der ehemalige Priesterzögling Stalin weiß um die Kraft des Ubersinnlichen im Christentum, auch wenn er selbst bloß von der Gegenkraft berührt ist. Dem blasphemischen Gedanken der Ausrottung des Christentums hat er — zumindest zeitweilig — entsagt. Was er will, ist noch schlimmer. Er will die Kraft des Guten in den Dienst des Bösen stellen, die Kirchen nicht vernichten, sondern sie seinen Plänen dienstbar machen. Da Rom sich weigert und die Apostasie 6ich ihm versagt, erstrebt er das Schisma.

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