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Fahrstuhl Montblanc

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In einer Agenturmeldung wurde vor kurzem unter dem Titel „Der höchste Fahrstuhl der Welt” folgendes berichtet: „Der Ingenieur Lora Tolino verwirklicht zur Zeit eines seiner größten Projekte, nachdem er Chamonix mit Courmayeur durch eine waghalsige Seilbahn über die ewigen Gletscher des Montblanc verbunden hat. Dieser Tage hat er mit den Arbeiten zur Erbauung eines Fahrstuhles begonnen, der auf den Gipfel der Aiguille du Midi hin- aufführt. Der Höhenunterschied wird 65 Meter betragen. Oben auf dem Gipfel wird ein Rundsichtrestaurant gebaut, das sich in der unglaublichen Höhe von 3842 Meter befindet. Außer diesem Restaurant wird auch die Abfahrtsstation für einen neuen Teil der Gletscherseil- bahn errichtet, die auf den Montblanc führt und sich in der Mittelstation bei Tacul in 4450 Meter Höhe mit den übrigen Montblancquerseilbahnen verbindet. Die Arbeiten für diese außergewöhnlich interessante Unternehmung haben bereits begonnen; italienische und französische Arbeiter arbeiten bei geradezu polarer Kälte an dem Unternehmen. Eine neue Maschine, ,Jumbo” genannt, wird hier eingesetzt. Es ist eine automatische Bohrmaschine, durch die schon viel Zeit gespart wird.”

Damit wird ein Projekt verwirklicht, das bereits vor zwei Jahren als Plan angekündigt wurde. Schon damals sprach man von einem Restaurant auf dem Gipfel der Aiguille du Midi, von Zimmern mit Bad und dergleichen mehr, all dies sollte in den Granit des Berges eingehauen werden.

Französische Stimmen

Vor längerer Zeit schon hat die französische Zeitung „Le Figaro” zum „Massaker des Montblanc durch die Seübahnen” Stellung genommen. Sie hat ihre Leser aufgefordert, sich zu der schon vorhandenen mechanischen Erschließung des Montblancgebietes durch Bahnen und Lifte aller Art und die für die Zukunft bekannt gewordenen Pläne zu äußern. Eine Reihe solcher Stellungnahmen, die zum überwiegenden Teil der Mechanisierung ab- , lehnend gegenüberstehen, wurde von der Zeitung veröffentlicht. Nachstehend bringen wir einige Proben aus den Zuschriften, die der „Figaro” aus seinem Leserkreis erhalten hat.

Zunächst eine Proseilbahnstimme, um zu zeigen, wie sehr manche Auffassung doch an der Wirklichkeit i vorbeigeht und wie schief manche Vergleiche gezogen werden können. So schreibt ein Leser: „Der im „Figaro” veröffentlichte Artikel zum Thema .Seilbahnprojekte im Montblancmassiv” kommt zu Schlüssen, die ich nicht teile. Wenn ich recht verstanden habe, handelt es sich darum, allen jenen den Zugang zu den Hochgebirgen zu verwehren, die nicht Bergführer oder hervorragende Bergsteiger sind, im Gegensatz zu den anderen, die mangels eigener Fähigkeiten jene technischen Hilfsmittel benutzen müssen, vor denen sich die ersteren so schrecken. Die Gegner der Seilbahnen wollen einen Raum der Absonderung schaffen, der allen anderen versperrt ist. Das ist genau dasselbe, als ob man allen jenen den Besuch von Museen und Schlössern verbieten wollte, die nicht diplomierte Kunsthistoriker sind, oder Ungläubigen den Besuch von Kirchen.”

Daß die Parallele zwischen der Bergwelt und einem Museums- oder Kirchenbesuch kein echtes Vergleichsmoment in sich birgt liegt auf der Hand.

Ein anderer Leser sieht die Profanierung der Berge nient iu den Seilbahnen, sondern im Flugzeuglärm, wenn er schreibt:

„Ich glaube nicht, daß die Seilbahnen eine ungraziöse Note in di alpine Landschaft hineintragen — und zwar wegen ihres geringen Volumens. Der ,Flug” der Kabinen trägt gerade eine originelle Note in die Berge. Die Seilbahnen profanieren nicht die letzten Oasen der Stille, denn ihr Betrieb ist nicht lärmend. Ich bin letzten Winter auf die Aiguille du Midi gefahren und habe mich dort einige Stunden aufgehalten. Ich habe gewiß Lärm gehört, aber dieser Lärm kam nicht von den Seilbahnen. Er wurde hervorgerufen durch die viel zu vielen Flugzeuge, die beinahe unaufhörlich die Höhen der Alpen überflogen. Es ist dies die wahrhafte Profanierung, die zu bedauern ist.”

Ein in Nordafrika ansässiger Franzose hat allerdings Zweifel an der Durchführbarkeit aller Bemühungen, Seilbahnen vom Hochgebirge fem- zuhalten. Er sagt:

„Sie setzen den Akzent mit Recht auf die Hast der Menschen unserer Zeit, die letzten Oasen der Still und der Schönheit zu profanieren, und Sie fürchten, daß die mechanischen Aufzüge all dies endgültig verunstalten werden. Es ist leider zu erwarten, daß es schwierig sein wird, die endgültige Verwirklichung dieser Verschandelung zu verhindern, da die finanziellen Möglichkeiten der Unternehmer zu groß sind. Allerdings könnte man das Übel in einem Teil vermindern, wenn man die Bahngesellschaften verpflichten würde, nicht nur die Bergstationen in einem bestimmten Stil zu erbauen, sondern vor allem auch die scheußlichen Reste, die bei jedem Bau übrigbleiben, völlig verschwinden zu lassen.”

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