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Gespräche in Helsinki
Es liegt Jahre zurück, daß sich Präsident Johnson um das Zustandekommen eines Dialogs mit der Sowjetunion über das Raketenwettrüsten zu bemühen begann. Anfang 1967 zeigte sich Ministerpräsident Kossygin erstmals bereit, Verhandlungen über eine Begrenzung sowohl offensiver als auch defensiver nuklearer Raketen in Erwägung zü’ziehen.
Es liegt Jahre zurück, daß sich Präsident Johnson um das Zustandekommen eines Dialogs mit der Sowjetunion über das Raketenwettrüsten zu bemühen begann. Anfang 1967 zeigte sich Ministerpräsident Kossygin erstmals bereit, Verhandlungen über eine Begrenzung sowohl offensiver als auch defensiver nuklearer Raketen in Erwägung zü’ziehen.
Warum haben dann die beiden führenden Atommächte so lange gebraucht, um nach Helsinki ziu kommen? Wie Außenminister Rogers bemerkte, dürfte es wenig Sinn haben, Überlegungen über Entwicklungen auf beiden Seiten anzustellen, die den Fortschritt in dieser Frage verzögerten, also über die sowjetische Invasion der Tschechoslowakei, den Amtsantritt der neuen Regierung Nixon in den USA und Moskaus anscheinende Inanspruchnahme durch die Grenzzwischenfälle mit dem kommunistischen China. Das vorsichtige Herangehen an die sogenannten SALT-Gespräche (Abkürzung für „Strategie Arms Limitations Talks“) zeigt jedenfalls, daß sie in Washingtons wie Moskaus Augen wahrscheinlich die wichtigsten Verhandlungen sind, in die Amerika und Rußland jemals eintraten.
Die Strategie der gegenseitigen Abschreckung, für die Churchill vor vielen Jahren das Wort vom „Gleichgewicht des Schreckens“ prägte, rührt so nahe an das Nervenzentrum der Weltpolitik, daß jeder Versuch einer unmittelbaren Auseinandersetzung mdt ihr an eine Gehim- operation erinnert. Der Eingriff kann ein durchschlagender Erfolg sein, und die USA und die UdSSR können tatsächlich Übereinkommen, ihrem kostspieligen und gefährlichen Raketenwettrüsten Einhalt zu gebieten und dadurch die ganze Welt sicherer zu machen. Anderseits könnte ein erfolgloser Eingriff die weltpolitische Lage von Grund auf verschlechtern, und dieses Risiko muß man bedenken.
Die Vereinigten Staaten haben also Ursache genug, an die Gespräche in Helsinki ernsthaft und realistisch heranzugehen. Außenminister Rogers ist zuversichtlich, daß auf sowjetischer Seite derselbe Geist herrscht. Dadurch erklärt sich auch, wieso Washington diese ersten Gespräche mit Nachdruck als Vorgespräche bezeichnet. Der US-Außenmimster schließt zwar die Möglichkeit nicht aus, daß man bereits bei den ersten Sitzungen wesentliche Fragen an schneiden wird, doch bei diesen ersten Begegnungen wird man vor allem zu entscheiden haben, wie groß die Delegationen bei den künftigen Verhandlungen sein sollen, ferner ob man eine Tagesordnung haben soll oder nicht und ob man die Gespräche in Helsinki fortsetzen oder sie anderswohin verlegen soll.
Sogar solche Vorgespräche, die mehr oder weniger diplomatische Routine sein werden, können die Atmosphäre andeuten, in der die späteren Verhandlungen stattfinden werden. Trotz der außerordentlichen Kompliziertheit der technischen Fragen, denen sich die Unterhändler gegenübersehen werden, wird letztlich die politische Atmosphäre vielleicht entscheidend sein. Vor einigen Jahren kamen zwei der angesehensten Atomwissenschaftler in Amerika zu diesem Schluß:
„Im Wettrüsten stehen beide Seiten vor dem Dilemma, entweder ihre militärische Macht ständig zu verstärken oder ihre nationale -Sicherheit ständig zu verringern Für dieses Dilemma gibt es keine technische Lösung. Falls die Großmächte weiterhin nach Lösungen nur auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik suchen, wird dies eine Verschlechterung der Lage zur Folge haben. Der mit Bestimmtheit voraussagbare Weg des Wettrüstens ist eine ständig offene Spirale, die senkrecht in-den Abgrund führt.“
Mit anderen Worten: Die Grundvoraussetzung für eine Unterbindung dieser Spirale ist der politische Wille, einen vernunftgemäßeren Weg zur Sicherheit zu suchen. Die Bereitschaft der USA und der UdSSR zur Aufnahme der Gespräche in Helsinki mag die Hoffnung rechtfertigen, daß sich Washington und Moskau endlich zu diesem Entschluß durchgerungen haben und daß es ihnen auch gelingen wird, dem Wettrüsten Einhalt zu gebieten, und zwar mit einer die Sicherheit und den wirtschaftlichen Vorteil beider Länder berücksichtigenden Formel.
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