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In den Krallen der Diktatoren

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ALS GEFANGENE BEI STALIN UND HITLER.

Von Margarete Buber-Neumann. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 472 Seiten.

Für viele überlebende Gefangene Hitlers bedeutete die Erlösung von den Qualen des KZ bloß den Beginn eines neuen Leidensweges als Gefangene Stalins. Bei Margarete Buber war es umgekehrt. Selbst eine überzeugte Kommunistin und mit dem bekannten deutschen Kommunistenführer Heinz Neumann eng liiert, hatte sie nie daran gezweifelt, daß die UdSSR, das große „Vaterland aller Werktätigen“, jedem vom NS-Terror bedrohten Mitglied der KPD und überhaupt jedem bewährten Antifaschisten, dem der Boden zu heiß unter den Füßen geworden war, bereitwillig ein sicheres Asyl gewähren würde. Tatsächlich wurde ihr und ihrem Gefährten nach geglückter Flucht aus Deutschland die Einreise in die UdSSR wohl gewährt, aber damit war auch der Eintritt in eine Welt vollzogen, die sich in nichts Wesentlichem von der unterschied, aus der sie entkommen waren. Nach den bitteren Enttäuschungen schon der ersten Monate auf sowjetischem Boden, in einer scheinbaren Freiheit, die in Wirklichkeit Gefangenschaft war, kam die Verhaftung Neumanns; er verschwand, ob als Trotzkist, Sinowjewist, Kamenjewist, Bucharinist oder einer sonstigen Verirrung verdächtig, hinter den Kerkermauern des NKWD, wo ein unbekannt gebliebenes Schicksal seiner harrte. Ein Jahr später, man schrieb 1938, kam, für sie längst nicht mehr unerwartet, Margarete Buber an die Reihe. Sie lernte die Zellen der Lubjanka und der Butirka kennen; die Qualen eines Sträflingstransports nach dem Fernen Osten; die grauenvolle Existenz in einem sowjetischen „Arbeits-besserungslager“; den Schmutz, den Hunger, die unerträgliche Enge der Unterkünfte; das Uebermaß der geforderten Arbeitsleistung; die arktische Kälte wie die tropische Hitze Sibiriens. Aber, als wenn das alles noch nicht hingereicht hätte, ihr den wahren Charakter des kommunistischen Systems zu offenbaren, sie war auch unter jenen Gefangenen Stalins, die auf Grund des Freundschaftspaktes zwischen dem „Dritten Reich“ und der UdSSR den Schergen Hitlers ausgeliefert wurden. Von der Brücke von Brest-Litowsk, wo im Februar 1940 die Uebergabe an die SS erfolgte, ging die Reise in die Hölle von Ravensbrück. Wie durch ein Wunder überstand die Verfasserin dieses Buches noch mehr als fünf Jahre im Todeslager, bis sie sich nach dem deutschen Zusammenbruch dank ihrer Initiative und Entschlossenheit und ihrem noch immer ungebrochenen Mut vor den herannahenden sowjetischen Truppen in Sicherheit bringen konnte; bereichert um die in unsagbar harter Schule gewonnene Erkenntnis, daß alle totalitären Diktat turen, ob brauner, roter oder sonst welcher Färbung, sich völlig gleichen in der totalen Verachtung von Menschenrecht und Menschenwürde — in der Unmenschlichkeit, die einen wesensrio'twendigen Bestandteil des Systems bildet. Margarete Bubers Bericht, lebendig, mit Wärme und selbst mit Humor geschrieben, und, frei von jeder ideologischen. Tendenz, ist ein wertvolles und ungemein packende Dokument zur Zeitgeschichte. Kurt Strachwitz

WEGE UND ZIELE DER WIRTSCHAFT ÖSTERREICHS. Von Carl Hudec-zek. Springer-Verlag, Wien. VIII, 271 Seiten. Preis 198 S.

Wir sind an Statistiken über die österreichische Wirtschaft keineswegs arm. Sowohl das Bundesamt für Statistik wie die Kammer der gewerblichen Wirtschaft und die einzelnen Landeskammern wie auch die Arbeiterkammer liefern umfangreiche Datensammlungen, deren Erscheinen wir immer dankbar begrüßen. Was uns aber fehlte, war eine umfangreiche Zustandschilderung in Verbindung mit Zeitvergleichen, war vor allem eine Analyse, deren Ergebnisse erst die Grundzüge der Wirtschaftspolitik Oesterreichs und ihre Erfolge sichtbar machen. Gerade in einer Zeit, in der “wir vor der Konstitution der europäischen Gemeinschaften stehen, an denen wir nun Anteil nehmen müssen, ob wir wollen oder nicht, tut not, daß wir die Bedingungen erfahren, von denen aus Oesterreich seine Mitunternehmerschaft im Verband der europäischen Wirtschaft anzumelden vermag.

Was der Autor des vorliegenden Buches, Botschafter a. D. und ehemals Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes (Auswärtige Angelegenheiten), an Daten und Interpretationen bietet, ist beileibe keine Ergänzung der bereits vorliegenden statistischen Belege, sondern eine Synthese aus der Vielfalt der vorgegebenen Daten, die zu einem Bild verwoben werden und so trotz der komplexen Verflechtung des Ziffernmaterials dieses zur Eindeutigkeit einfacher Aussagen verdichten.

Das erste Kapitel ist dem Menschen unseres Landes gewidmet („Bevölkerungspolitik“), anschließend werden die Landwirtschaft, Industrie und Energiewirtschaft, die Finanzen Oesterreichs und die Handelspolitik stets sowohl in der Bewegung wie in ihrem Zustand an Hand neuester Ziffern dargestellt. Dabei ist der Aufbau des Ziffernmaterials derart gewählt, daß es nicht nur möglich ist, in einer Art Bilanz den aufsehenerregenden Aufschwung der Wirtschaft unseres Landes abzulesen, sondern Prognosen zu stellen, eine Tatsache, die angesichts der offensichtlichen Reduktionen der Wachstumsraten besonders bedeutsam ist.

Das Buch ist nicht nur als Nachschlagewerk, sondern auch wegen der ausgezeichneten Interpretationen der Zahlenbilder ein Standardwerk der wirtschaftspolitischen Literatur und wird es noch lange Jahre bleiben.

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