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Keine Angst vor Schneekettenmontage!

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Am Sonntag, dem 15. Februar, herrschte im Arbeitszentrum des Steiermärkischen Automobil- und Motorsportklubs in Graz (STAMK) Hochbetrieb. Aus allen neun Bundesländern waren die Landesbesten im Montieren von Schneeketten zur Bundesmeisterschaft angetreten. Gleich beim Eingang des Areals standen die beiden als erster und zweiter Preis ausgesetzten, blumengeschmückten Volvos, in der Einfahrt war die „Kampfarena“ abgesteckt. Zeitnehmer, Stoppuhren, eine Jury, die Kandidaten des Bewerbes standen bereit, die meisten von ihnen in Trainingsanzügen (Jakken oder gar Mäntel hätten die Montage, bei der es auf Zehntelsekunden ankam, nur behindert) und auch das Schuhwerk war bei den meisten rutschfest (Tennisschuhe), denn jedes Ausgleiten wäre ebenfalls ein Zeitverlust gewesen. Pünktlich zur festgesetzen Zeit begann der Wettbewerb: Auf das Kommando „Achtung, fertig, los!“ hatten die im Wagen sitzenden Teilnehmer herauszuspringen, die Schneeketten aus dem verschlossenen Kofferraum zu nehmen, vor den Antriebsrädern auszubreiten, mit Motorkraft (dazu mußten sie wieder in den Wagen springen) über die Ketten zu fahren, nochmals herauszuspringen und die Kettenglieder zu schließen, zu spannen, dann wieder den Lenkersitz einzunehmen und die Tür zuzuschlagen. Der Knall der ins Schloß fallenden Tür markierte das Ende der Prüfung.

Drei der Teilnehmer kamen auf weniger als eine Minute, die beste Zeit für das Anlegen eines Paares von Schneeketten (0,55.6) erzielte der auch bei den Landesmeisterschaften an der Spitze liegende Kärntner Franz Türk, der Zweite und der Dritte waren um jeweils genau fünf Zehntelsekunden langsamer (Klaus Neuböck, Niederösterreich, und Hubert Huber, Vorarlberg). Zwei Teilnehmer mußten disqualifiziert werden, denn sie hatten in der Aufregung wesentliche Bedingungen nicht erfüllt: Der Oberösterreicher schob den Wagen von Hand aus über die Ketten, statt mit Motorkraft, der Steiermärker wiederum wartete nicht auf das Schlußzeichen der Prüfungskommission, die den richtigen Sitz der Ketten nach Abschluß der Prüfung zu beurteilen hatte und begann die Ketten vorzeitig wieder abzumontieren.

Die Leistung des Siegers ist um so höher zu bewerten, als er einen Wagen mit Frontantrieb (Citroen Dyane 6) hatte, also vom Kofferraum bis nach vorne zu den Antriebsrädern spurten mußte, während seine knapp hinter ihm liegenden Konkurrenten hinten angetriebene Wagen fuhren (Fiat 2100 beziehungsweise Vauxhall Viva). Unter dem Druck der Anspannung, die ein solcher Wettbewerb mit sich bringt — manchem zitterten vor Erregung die Hände —, waren die Zeiten begreiflicherweise um Sekunden schlechter als beim Üben daheim. Wir sprachen mit einigen Teilnehmern, die uns versicherten, sie hätten daheim „Traumzeiten“ von 38 bis 45 Sekunden erzielt! Bei der Siegerehrung — der dritte Preis war ein Fernsehapparat — sprachen der STAMK-Präsident DDr. Freunbichler, femer der Sekretär des Klubs, Lehrmayer, und der Prokurist der größten österreichischen Kettenfabrik, Kappl. Die Idee des Wettbewerbes hatte 1967 Landessekretär Lehrmayer, er fand bei der PEWAG in Graz Gehör und tatkräftige Unterstützung und schon im nächsten Jahr

konnten Wettbewerbe in der Montage von Schneeketten auf Landesebene durchgeführt werden. Der Erfolg und das Echo in der Öffentlichkeit ermutigte die Initiatoren, im Vorjahr die Konkurrenz zu einer Bundesmeisterschaft zu erweitern, die Vorentscheidungen begannen im Oktober 1969, an insgesamt 63 Orten konnten sich die Bewerber für die Landesmeisterschaften qualifizieren. Waren schon vor zwei Jahren außerordentlich kurze Zeiten für das Anlegen eines Paares von Schneeketten erzielt worden — sie lagen aber immerhin noch über einer Minute —, so konnten heuer noch kürzere Zeiten markiert werden. Es wurde bei der Siegesfeier mit Recht betont, daß mit diesem Wettbewerb der Verkehrssicherheit ein Dienst erwiesen werde, dann vielen Kraftfahrern wird dadurch vor Augen geführt, wie einfach und leicht Kettenmontage sein kann. Bekanntlich scheuen viele vor dieser Arbeit zurück und begeben sich dadurch in kritischen Situationen in Gefahr oder tragen zumindest zum Verkehrschaos auf winterlichen Straßen bei. In Österreich allein sind 37 Hauptverkehrswege Bergstraßen, die zu einem erheblichen Teil Ihrer Benützungsdauer Schnee und Eis aufweisen. Schneeketten ermöglichen, das ist durch Versuche ermittelt, bedeutend kürzere Bremswege als selbst Winterprofile mit Spikes. Es Ist nicht zuviel gesagt, wenn man Ketten unter bestimmten Bedingungen als „Lebensretter“ bezeichnet.

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