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Königtum ohne König

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EIS KÖNIGSDRAMA IM SCHATTEN HITLERS. Die Versuche des Reichsverwesers Horihy ur Gründung einer Dynastie. Ven Emilio Vasari. Autorisierte Übersetzung aus dem Ungarischen Von Engen Kende. Verlag Herold, Wien-München. 205 Selten. S 15 .—.

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EIS KÖNIGSDRAMA IM SCHATTEN HITLERS. Die Versuche des Reichsverwesers Horihy ur Gründung einer Dynastie. Ven Emilio Vasari. Autorisierte Übersetzung aus dem Ungarischen Von Engen Kende. Verlag Herold, Wien-München. 205 Selten. S 15 .—.

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„Dein rechter König meinten wir zu sein; und sind wir es, wie. wagen deine Glieder vor uns die Pflicht der Ehrfurcht zu vergessen? Sind wir es nicht, dann zeig uns Gottes Hand, die unsres Amtes uns entlassen hat! Denn unsern Stab, dieweil wir leben, kann sonst keine Hand von Fleisch und Bein ergreifen, sie habe ihn geraubt denn und entweiht ..

Schon längst hat Vivian Herbert darauf hingewiesen, wie das Gespräch zwischen Kaiser Karl und Admiral Horthy zu Ostern 1921 auf der Burg zu Ofen ziemlich genau der Lage entspricht, in der Shakespeare seinen Richard II. dem Usurpator Bolingbroke gegenübertreten läßt.

Man täte Admiral Horthy schweres Unrecht, wollte man glauben, daß er gefühllos war für die Vorwürfe, die ihm seine Tat bei allen anständig Fühlenden einbringen mußte.

Bis an sein Lebensende war der Admiral denn darauf bedacht, auf dem einzigen Grund zu beharren, der ihn entschuldigen konnte. Die Restauration hätte den Einmarsch der Kleinen Entente, die Aufteilung des Landes bedeutet. Stimmte das, dann war er im Recht; denn „nicht die Reiche sind den Königen, sondern die Könige sind den Reichen gegeben”. (Niemand wußte um diesen alten Grundsatz besser als Kaiser Karl.) Nun kann man schwer zu einem Ende kommen bei Diskussionen „Was wäre, wenn”. Mußte der Reichsverweser seinem König glauben. der überzeugt war, die Kleine Entente könnte nicht marschieren? Oder mußte er wirklich die Invasion fürchten? Es will uns scheinen, der Autor unterschätzt doch einigermaßen die Gründe, die damals für jene Befürchtung sprachen… schlie- lich waren die Rumänen schon einmal in Budapest gewesen! Aber der Autor hat ja auch bestimmtere Gründe für sein Urteil über Horthy.

Hauptsache ist nicht der Konjunk- tivsatz: „Was wäre geschehen, hätte Horthy seinen König eingesetzt?” — darüber mag man streiten bis zum Jüngsten Gericht. Wichtiger ist der Indikativsatz: „Was ist geschehen, nachdem Horthy seinen König los war?” Wie Avar das Regime des Reichsverwes-Ars? Da ist die Innenpolitik und die Außenpolitik zu beurteilen; beides bespricht der Autor. Was die inneren Zustände betrifft… endesgefertigter Rezensent wird es einer Regierung wohl nicht zum Vor- Avurf machen, daß sie den Adel nicht enteignet, nicht entmachtet hat. Aber ZAvischen Aristokratie und Oligarchie unterscheidet schon der alte Aristoteles; und die ländlichen Verhältnisse Ungarns Avaren nicht gut. In der Außenpolitik? Auch vom Führer der tschechoslowakischen Legionen, General Syrovy. gibt es eine Aufnahme, wie er Adolf Hitler die Hand gibt; doch blieb es bei dem einen Händedruck. während Horthy vor und nach dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs Hitlers erklärter, zu Zeiten hochgefeierter Verbündeter blieb. Das Ende war dann wieder anders … und obwohl man darüber in einem anderen Buch des Frick-Verlages lesen mag (Windisch-Graetz: Helden und Halunken), so hätte der Autor darüber doch wohl etwas systematischer berichten sollen.

Allerdings ist sein Anliegen ein anderes. Er hat über den Versuch Horthys zu berichten, einen Erbstatthalter oder gar einen König aus seinem Blut einzusetzen. Dieser, für das Wohl des Landes völlig unnütze Versuch läßt ihn auch über die Beweggründe für Horthys Betragen bei den zwei Restaurationsversuchen aburteilen. Es fällt ihm nicht schwer, auch sonst Belastendes über Horthy zu berichten (Weißer Terror). Natürlich kann man meinen, es wäre allzu leicht, Horthy zu verurteilen — heute, nach dem verlorenen Krieg. Doch anderseits kann man meinen, vor seinem Verhalten sei schon vorher gecvarnt worden.

Neben der Haupthandlung enthält das Buch so viele Angaben über die Politik der Kleinen Entente, Österreichs, Deutschlands und der Westmächte in den Jahren 1918 bis 1944, daß es den Rang eines wahren Nachschlagewerks verdient. Es wird geAViß viel diskutiert werden — auch in den Oststaaten, deren Geschichte es so wesentlich angeht. Vielleicht wird da mancher Leser einige Überraschungen erleben.

Nun aber zwei Bemerkungen. Mit dem Autor möchten wir einen terminologischen Streit anfangen: Er bezeichnet (S. 173) die beiläufig nationalsozialistischen Parteien als „extreme Rechte”. Wir sind von klein auf gewöhnt, die Revolutionäre als die Linke zu bezeichnen; die extreme Linke ist also die totale Revolution: Mao. Dagegen ist die Rechte die Tradition; für uns siind die extreme Recht die Traditionalisten — Legi- timisten. Denn — wären die Pfeil- kreuzler und Nazis (die sich seinerzeit gerne National-Bolschewiken nannten), die extreme Rechte, was sind die Legitimisten dann? Die gemäßigte Rechte? Also ein Legitimist ist ein gemäßigter, ein irgendwie zivilisierter Nazi? So geht das nicht obwohl diese Terminologie, absichtlich und unabsichtlich, verbreitet Wird; Grund genug, uns zu verwahren, auch abgesehen vom eigenen Standpunkt. Klarheit muß sein.

Dem Verlag aber machen wir das Fehlen von Abbildungen zum Vorwurf. Erstens ist eine biographische Arbeit ohne Bildnis ein Unding. Zweitens sind gerade auch bei Horthy die günstigen und ungünstigen Eigenschaften in der leiblichen Person und ihrer Aufmachung deutlich ausgeprägt. Doch ich tröste mich das Buch ist spannend genug, um eine Neuauflage zu erleben; die kann nachher hinreichend mit Bildern versorgt werden.

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