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KONIGSOSTERN 1921

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Nachdem mich S. M. gerade rufen ließ, wies ich S. M. diesen Befehl vor und bat S. M., von Befehlen abzusehen, da ich sonst, um eine Spaltung in der Armee zu verhindern, gezwungen wäre, um meine Enthebung vom Kommando zu bitten, ich es aber im Interesse Sr. M. halte, daß ich das Kommando solange wie möglich in meinen Händen behalte.

Gerade in dem Moment, da man mit der äußeren Gefahr droht, müsse die Armee unbedingt geschlossen erhalten werden, weil man nur, wenn die ganze Armee geschlossen ist, den vielleicht erfolgenden Drohungen der Kleinen Entente mit Ruhe und Entschlossenheit antworten kann. Solange die Armee in Disziplin und Ordnung ist, werden nach meiner Ansicht die Staaten der Kleinen Entente nichts Ernstliches gegen Ungarn unternehmen, vorausgesetzt, daß Budapest entschlossen ist. die ersten Versuche, sich in unsere Verhältnisse hineinzumischen, unter Hinweis auf unsere kleine, aber disziplinierte Armee, zurückzuweisen.

Man dürfe durch ein Pronunziamento in Szothbathely der Budapester Regierung nicht das stärkste Argument gegenüber der Kleinen Entente, die einheitliche, geschlossene Nemzeti has-dereg, Nationalarmee, aus der Hand nehmen.

S. M. stimmte dieser Anschauung vollkommen bei.

Hierauf teilte mir S. M. 'mit, daß Teleki im Auftrage “Horthys darauf dringe, 'daß-'et : sofort abreise, und äußerte Zweifel, daß der Druck der Kleinen Entente ein wirklich so mächtiger sei. daß eine unmittelbare, sofortige Abreise unbedingt notwendig sei.

Ich erwiderte, daß jetzt, nachdem die Anwesenheit Sr. M. in Ungarn bereits allgemein bekannt sei, eine sofortige Abreise von der mir bekannten, gutorganisierten Pressepropaganda nur dahin ausgenützt werden würde, um die

Aktion Sr. M. als ein leichtsinniges Abenteuer darzustellen.

Mit jedem Tag, mit dem S. M. länger im Lande bleibt, wird die Aktion ernster genommen werden. — Auch müsse man den Großmächten Zeit geben, um Stellung zu nehmen, und den Legitimisten im Lande, um sich zu ralliieren. — Ich glaube noch immer an einen Umschwung der Ansichten Horthys, sobald er sich überzeugt habe, daß die Absicht Sr. M., im Lande zu bleiben, ernst ist und die von seiner Umgebung genährte Furcht vor dem Einschreiten der Kleinen Entente sich als nicht begründet erweist.

Jedenfalls dürfe die Reise Sr. M. nicht ohne Nutzen für die Dynastie und den legitimistischen Gedanken sein. — Ich empfehle daher, auszuharren und nicht nachzugeben.

Um 15 Uhr wurde ich mit Teleki zu Hughes gerufen. — Horthy teilte mir mit, daß er unter gewissen Voraussetzungen bereit sei. die Regierung an S. M. zu übergeben, daß er sich aber vorbehalten müsse, bis dahin die Maschinerie in der Hand zu behalten.

Teleki gab hierauf noch eine Depesche in englischer Sprache ab.

In glücklicher Stimmung verließ ich das Zimmer von Hughes, sah ich doch jetzt wenigstens den Weg zur Lösung offen und einen Erfolg jMmer bisbjxigen-jijöfchen ,.ujjd loyalen Haltung, indem ich Horthy den Ruhm überließ, dem gekrönten König das Land wieder übergeben zu haben, und gleichzeitig stolz darauf sein konnte, daß die Armee sich als die disziplinierteste Armee der Welt erwiesen hat.

Teleki ging mit der Depesche sofort zu Sr. M. — S. M. ließ Horthy hierauf seinen Dank hughesieren: S. M. dankte Horthy für seine loyale Haltung.

Aus den Gesprächen Telekis mit Sigray war zu entnehmen, daß Teleki sich mit dem Gedanken trug, vorläufig, wie er sagte, wenn auch nur für kurze Zeit, das Ministerpräsidium bei Sr. M. zu übernehmen.

Mittlerweile war zu meiner größten Verwunderung nachstehende Depesche eingetroffen:

„28. März 1921, 16 Uhr.

Zur persönlichen Orientierung der Korpskommandanten und ihrer Generalstabschefs.

Se. M König Karl hat sich auf Grund falscher Informationen über die hierortige Situation entschlossen, nach Budapest zu kommen.

Er ist am Sonntag nachmittag bei seiner Durchlaucht dem Gouverneur erschienen.

Die Aufklärungen Seiner Durchlaucht über die Situation (innere Verhältnisse, Aufteilungsplan der Kleinen Entente) veranlaßten Seine Majestät, zurückzureisen. Seine Majestät ist am Sonntag abend nach Szombathely zurückgekehrt, wo er sich momentan aufhält.

Im Lebensinteresse des Reiches und des Königs kann Seine Durchlaucht der Herr Gouverneur seine Macht als Staatsoberhaupt nicht übergeben.

Eventuell von Szombathely , oder nicht vom Gouverneur ernannten Stellen kommende Befehle sind daher nicht zu befolgen, sondern hierherzu-melden.

Auch Oberst Lehär in Szombathely handelt ebenso.

Honvedministerium Nr 10.184 Präs. a. 1921.“

Nachträglich. wurde mir dann von Offizieren noch erzählt, daß an diesem kritischen Tage in Budapest ein Hughes-Telegramm herumgezeigt wurde mit dem Wortlaut:

. „Der Befehl Euer Durchlaucht wird von Wort zu Wort befolgt.

Lehär.“

Dies war angeblich meine Antwort auf den Befehl Horthys, S. M. noch in der Nacht an die Grenze zu bringen.

Da ich ein derartiges Telegramm nie nach Budapest abgab, kann es sich nur um eine Fälschung handeln.

Um 20 Uhr kam dann von Budapest ein glattes „Nein“. — Horthy weigerte sich, sein Versprechen von 15 Uhr einzuhalten und die Regierung zu übergeben.

Gleichzeitig kam die Nachricht, daß Dienstag früh Bethlen und Andrässy in Szombathely eintreffen werden; mit ihnen sollten auch zwanzig Detektive aus Budapest ankommen.

Dienstag, 29. März.

Es muß hier vor allem betont werden, daß seitens der Bevölkerung bis inklusive der sozialdemokratischen Vereine wiederholt an mich, aber auch an den Obergespan Grafen Cziräky und den Fökormänybiztos (Oberregierungskommissär) Graf Sigray mit dem Angebot herangetreten wurde, große Kundgebungen für S. M. zu veranstalten. - Wir baten jedoch das Publikum, hiervon abzusehen. — Ich hauptsächlich deshalb, weil ich zur Genüge den Budapester Demonstrationsapparat kannte und daher vorauszusehen war, daß Loyalitätskundgebungen mit Gegendemonstrationen beantwortet werden würden, für welche Personal und Geldmittel der Gegenpartei ausreichend zur Verfügung standen.

Nachdem die erwähnten Staatsmänner in das bischöfliche Palais gekommen “waren, begann die Orientierung über die Situation.

Andrässy war nun in den Gedanken, eine seiner berühmten Formeln gefunden zu haben, ganz verliebt, machte sich über ein Manifest und war für jede andere Lösungsmöglichkeit so gut wie verloren.

Teleki, der noch gestern bereit gewesen war, nur für kurze Zeit, wie er sagte, Ministerpräsident Sr. M. zu werden, war nach seiner ersten Unterredung mit Bethlen wie ausgewechselt. — Er äußerte sich mir gegenüber, er möchte am liebsten S. M. noch heute mit Gewalt über die Grenze schaffen.

Die Konkurrenz Bethlen—Teleki um die Stelle als Ministerpräsident, die sich nun in der feindlichen Haltung S. M. gegenüber gegenseitig zu überbieten suchten — trat klar zutage.

Bevor noch die Politiker von S. M. empfangen wurden, hatte S. M. selbst ein Telegramm an Horthy konzipiert und abgesendet.

Dieses hatte nachstehenden Wortlaut:

„Ich verstehe Ihre Politik nicht. Entweder hätten Sie mich neulich in Budapest verhaften lassen sollen oder aber sich mir unterwerfen. Um den Bürgerkrieg zu bannen, schlage ich Ihnen ToU gendes vor: Ich ernenne Sie zum königlichen Statthalter und beeide Sie. Ich bleibe als König mit allen königlichen Ehren im Lande, werde

uber alles im Laufenden erhalten und ubernehme

zu günstiger Zeit die Regierung.“

Das sollte Horthy dazu zwingen, endlich Farbe zu bekennen„

Die Antwort auf dieses Telegramm brachte Graf Hunyadi persönlich später nach Szom-bathely. Sie lautete ablehnend dahin, daß Horthy keinen öffentlichen Eid auf S. M. ablegen könne, ein geheimer Eid aber nichts nütze.

Für mich war vor allem wichtig, was der militärische Vertreter Horthys für S. M. aus Budapest brachte.

Schon die erste Unterredung mit Fmk. Hege-düs ließ mich über die ihm zugewiesene Questen-berg-Rolle in keinem weiteren Zweifel. — Ich leitete daher das Gespräch mit den Worten ein, daß ich meine absolut korrekte Haltung mit meiner unbedingten Treue zum König in Ueber-einstimmung zu bringen suche, was mir bisher, dank der unbedingt korrekten Haltung Sr. M., gelungen sei und bei dem absoluten Vertrauen, daß ich seitens meiner untergebenen Kommandanten genieße, auch weiterhin gelingen werde. — So, daß ich die schwere Krisis zu überstehen hoffe, derart, daß die Disziplin und das Ansehen der Armee gefestigt und vermehrt daraus hervorgehen. — Ich wisse sehr gut, daß er den Befehl zur Uebernahme des Kommandos in der Tasche trage. — In jedem anderen Falle würde mein hochentwickeltes Ehrgefühl es nicht einen Moment zulassen, das Kommando weiterzuführen. Jetzt glaube ich jedoch, es Sr. M., und zwar nur Sr. M., schuldig zu sein, so lange auf rneinem Posten auszuhalten, als dies überhaupt möglich sei, ohne mit meinem Pflichtgefühl und meinem Gewissen in Konflikt zu geraten.

Sichtlich verlegen gab Fmlt. Hegedüs zu, daß er tatsächlich den Ablösungsbefehl in der Hand habe, versprach aber, sich in keiner Weise in meine Kommandobefugnisse hineinzumengen und sich vorläufig darauf zu beschränken, sich zu orientieren und nach Budapest Berichte zu erstatten.

Im Laufe des Tages wurden Teleki, Andrässy, Bethlen, Fmlt. Hegedüs und Sigray von Sr. M. wiederholt empfangen. — Der Eindruck, den die Herren von Sr. M. erhielten, wird am besten durch eine Hughes-Depesche Telekis an Horthy illustriert, worin dieser sagte, daß S. M. für die bisher vorgebrachten inneren Schwierigkeiten gar kein Verständnis habe. — Nur ein Druck von außen (I) könne S. M. von der Notwendigkeit überzeugen, das Land zu verlassen.

Von dem Moment beginnt die immer mehr und mehr zunehmende Drohung mit der Intervention der Kleinen Entente. — Während bisher von Budapest nur mit der Anarchie gedroht wurde, mit dem Archidux Joseph, mit dem Bürgerkrieg, mit dem Falle des ungarischen Kronenkurses, mit der Drohung der Dethroni-sation durch die Nemzetgyüles (Nationalversammlung), falls Horthy die kormänyzösäg (die Regierung) niederlegt oder sich erschießt (er dachte gar nicht daran!), werden von diesem Moment an alle die Argumente fallengelassen, und es erscheint von Tag zu Tag die immer größer werdende Gefahr des Einmarsches der Kleinen-Entente-Staaten, ja sogar Oesterreichs, demgegenüber die ungarische neemzeti hadsereg (Nationalarmee) immer schwächer, widerstandsunfähiger und kriegsunvorbereiteter dargestellt wird.

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