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Die Masken fallen

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Nun suchte man mich von Sr. M. zu trennen, denn es war festgestellt worden, daß ich das Haupthindernis der sofortigen A b r e i s e S. M. s e i.

Der mittlerweile eingetroffene Gesandte Kania berichtete in dem Sinne nach Budapest.

Nachmittag wurde ich zum Hughes gerufen. — Dort fand ich bereits Fmlt. Hegedüs vor, der mit Belitska, dem Kriegsminister, hughesiert hatte.

Hegedüs wies mir eine Depesche vor, nach der ich den Befehl erhielt, sofort nach Budapest per Auto abzugehen.

Damit S. M. meinem Abgehen kein Hindernis in den Weg lege, dürfe

S. M. von meiner Abreise nicht früher unterrichtet werden.

Fmlt. Hegedüs hat provisorisch das Körlet-Kommando zu übernehmen.

Jetzt war die Maske gefallen.

Ich sagte Hegedüs trocken, daß ich von S. M. nicht weiche und daß ich mich krank melde.

Als Hegedüs dies dem Kriegsminister mitteilte, erhielt er den Befehl, daß er jede weitere Berührung von mir mit Sr. M. zu verhindern hat.

Ich hatte das vorausgesehen und mich daher sofort entfernt, ins Auto geworfen und fuhr in die Bischofsburg, mit dem festen Vorsatz, mich nun ganz Sr. M. zur Verfügung zu stellen und nicht von seiner Seite zu weichen, mag da kommen, was da kommen mag.

Der erste Befehl des Fmlt. Hegedüs war, meinen Untergebenen jeden dienstlichen Verkehr mit mir zu verbieten.

Als sich die Nachricht verbreitete, kam ein junger Offizier meines Kommandobereiches zu mir. Er erklärte mir im Namen mehrerer Offiziere, daß sich mir diese bedingungslos zur Verfügung stellen und auch bereit seien, auf meinen Befehl nach Art der Pronay-Leute unsere Gegner kaltzustellen.

Selbstverständlich verwies ich diesem jungen Fanatiker sein Vorhaben mit den ernstesten Worten.

Man kann selbst für den rechtmäßigen König zwar ehrenvoll untergehen, aber niemals morden und brutalisieren.

Dies ist und bleibt nur die Waffe der Usurpatoren, die sich früher oder später doch noch gegen jenen wendet, der sie hemmungslos anwendet und zuläßt.

Am Abend des 3. April hatte ich eine lange Unterredung mit Gratz, Borovicsenyi und Hunyadi.' — Man stellte mir vor, warum gerade ich allein von den Militärs an die unmittelbare Kriegsgefahr nicht glauben und S. M. noch im Lande halten wolle.

Ich erwiderte, daß ich nicht am Muli-(Störrigkeits-) Standpunkt stehe, aber, daß es bisher noch niemand gelungen sei, meine fachmilitärische Ansicht zum Schwanken zu bringen. — Da man Sr. M. keine verantwortlichen Ratgeber gab, seien wir leider alle unverantwortlich, und da alles auf S. M. einrede, nachzugeben, brauche S. M. ein Gegengewicht, das ich um so freudiger bin. weil es meine feste Ueber-zeugung sei, daß die Widerstände nicht in der Kleinen Entente und den von Budapest bestellten Protesten zu suchen seien, sondern in den Sonderzielen und Sonderbestrebungen in Budapest selbst.

Unsere damalige Beratung führte daher meinerseits zu keiner Beschlußfassung, wohl aber blieb ich damals mit meiner Meinung, noch einen Versuch zu machen, Sr. M. die verfassungsmäßige Behandlung der Frage der Ueber-nahme der Regierung zu ermöglichen, allein.

Von den beiden Alternativen, die Sr. M. vorgelegt werden sollten, war nämlich auch Hunyadi auf einmal sehr gegen meinen Vorschlag, die Ernennung eines Ministeriums zu fordern. — Er fürchtete, daß hierdurch die Angelegenheit so vor die Nationalversammlung kommen werde, daß die Aktion mit einer Dethronisation der Habsburger endigen könne. — Wenn Horthy nicht bereit war, parallel zur Aktion mit der Auflösung der Nemzetgyüles (Nationalversammlung) vorzugehen, so lag diese Gefahr gewiß vor.

Jetzt, nachdem die Nemzetgyüles schon zu Worte gekommen war und sich, da man die Abgeordneten durch die angeblich eminente Kriegsgefahr eingeschüchtert hatte, vielleicht auch weiter gegen S. M. ausgesprochen hätte, war gewiß der günstigste Zeitpunkt verpaßt.

Immerhin hätte nach meiner Ansicht der Versuch noch gemacht werden müssen.

Doch S. M. entschied sich gegen meinen Vorschlag und für das Manifest.

Es beruhte auf nachstehender schriftlicher Erklärung Sr. M. an die Budapester Regierung:

„Mit Rücksicht auf die Nachrichten, welche Mir die ungarische Regierung bezüglich der außenpolitischen Lage zur Kenntnis gebracht hat, bin Ich bereit. Mich in die Schweiz zurückzubegeben, wenn die ungarische Regierung sich verpflichtet, die beigeschlossene königliche Erklärung im Wege der Regierung in angemessener Form der Oeffentlichkeit kund zu geben, und, wenn meine Rückreise in vollkommener Sicherheit und unter Wahrung aller Meiner Person gebührenden Ehren sowie Mein freier Aufenthalt auf dem schweizerischen Gebiet unter denselben Bedingungen wie bisher gewährleistet wird.

Ich werde meine Rückreise antreten, sobald Ich von Meiner Krankheit hergestellt bin.“

Ferner sollte ein Manifest Sr. M. veröffentlicht werden.

Die Budapester Regierung verpflichtete sich demgegenüber, das Manifest zu veröffentlichen, für die Sicherung der Rückreise Sr. M. Sorge zu tragen und alle Schwierigkeiten zu beheben.

An diesem Tage überbrachte noch der englische Arzt Fritz Williams Meldungen von Baron Schager aus Wien.

Der englische Gesandte Lindley hatte sich geäußert, daß sich die Große Entente um die Ereignisse in Ungarn nicht viel kümmern werde.

Einer Aeußerung des tschechischen Gesandten war zu entnehmen, daß die Tschechen gar nicht daran denken konnten, aktiv in den Konflikt einzugreifen.

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