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Der Armeebefehl Horthys

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Am 31. März nachmittags wurde mir ein „Hadparancs“ (Armeebefehl) zur Verlautbarung hughesiert.

Er hatte folgenden Wortlaut:

„Als ich die Regierung Ungarns übernahm, war es mein fester Vorsatz, auf dem Posten des Reichsverwesers nur so lange zu bleiben, als es das Interesse des Landes forderte. Unser Kampf für unsere Existenz und unsere innere Konsolidierung ist noch nicht beendet. Ein gewaltsamer plötzlicher Wechsel auf dem Gebiete der Regierung würde den Bestand der Nation bedrohen. Deshalb habe ich trotz der Ereignisse der jüngsten Tage an meinem Entschluß festgehalten und im Existenzinteresse unseres Vaterlandes auf meinem

} Platz HJJSrHjrÄ w Monism m nbtrii I j Die Natjp,rjakArmee ha.(„ajjcjh in .dle.sen,.schwe- j ren Tagen den mir geleisteten Eid, meiner Erwartung entsprechend, einheitlich und treu gehalten.

Mit der ganzen Wärme meines Herzens sage ich hierfür Dank den Führern, den Offizieren, den Unteroffizieren und Mannschaften der nationalen Armee. Vertrauensvoll sehe ich der Zukunft entgegen, denn die erprobte Disziplin, Einheit, der erprobte Geist der Armee bieten die beste Gewähr dafür, daß unser Vaterland auf dem Wege der . inneren Erstarkung unaufhaltsam fortschreiten, unter den Nationen der Welt den Platz einnehmen wird, den es kraft seiner tausendjährigen Vergangenheit und seiner Gegenwart verdient.

Budapest, 30. März 1921.

Horthy m. p.“

Ich ging zu Teleki, wies ihm den Befehl vor und sagte ihm, daß diese Belobung der Armee eine ganz unverdiente Kränkung meiner Person und meiner Truppen sei; — Er stelle mich vor der Oeffentlichkeit so hin, als ob ich irgendeinen Versuch gemacht hätte, meine Truppen zu unkorrektem Verhalten zu verleiten. — Auch halte ich es für eine Ungeheuerlichkeit, daß man königlichen Soldaten in derartig scharfer Weise den Widerstand gegen den eigenen gekrönten König nicht nur direkt befehle, sondern daraus förmlich ein Verdienst mache. — Mein militärisches und Offiziersgefühl könne sich vielleicht noch damit abfinden, daß wir im Interesse des Vaterlandes unseren König jetzt nicht bis zum letzten Tropfen Blut schützen dürfen. Aber nur, wenn die ganze Armee dies als ein fürchterliches Unglück und als eine Schmach empfinde, könne für diese Armee nicht gehofft werden, daß sie in der Zukunft wieder einmal für den gekrönten König eintreten werde.

Ich betrachte den Armeebefehl als eine Ungeheuerlichkeit, über die die Weltgeschichte noch einmal richten wird.

Teleki las den Armeebefehl sehr aufmerksam und wiederholt durch und sagte dann, der Armeebefehl sei nicht nur eine Taktlosigkeit, sondern auch eine große Dummheit. Auch Hegedüs sprach sich über den Armeebefehl ganz konsterniert aus.

Nach einer erregten Aussprache, wobei Budapest nicht sehr gut abschnitt, sagte mir schließlich Teleki:

„Ich habe als ungarischer Ministerpräsident ausdrücklich die Vollmacht erhalten, hier Befehle zu geben und Befehle rückgängig zu machen. — Ich befehle, daß dieser Armeebefehl nicht verlaut-bart wird, und werde das weitere in Budapest veranlassen.“

Gleichzeitig nahm er den Armeebefehl zu sich, offenbar, damit nicht einmal der Wortlaut in Szombathely bzw. Sr. M. bekannt würde, der S. M. bei der durchaus korrekten Haltung, die S. M. die ganze Zeit eingenommen hatte, schwer beleidigen mußte.

Ich meldete dem Kriegsministerium hierauf, daß Teleki auf Grund seiner Vollmacht die Verlautbarung des Hadparancs“ (Armeebefehl) verboten habe finct -äenyWortlaut desBereüls ;zu sich genommen tat. Nach zwei Tagen kam erneut der Befehl, den Hadparancs zu verlautbaren. Ich erklärte hierauf dem Fmlt. Hegedüs, daß ich in einer Armee, der dieser Armeebefehl zugemutet wird, nicht weiterdienen werde.

Teleki demissionierte infolge der Verlautbarung des Befehls, die vom Pressechef Tibor von Eckart ohne Zustimmung Telekis erfolgte.

Um die Mittagszeit des 30. März kam der Minister des Aeußeren, Dr. Gratz, an. Er war sehr verwundert darüber, daß die äußere Situation so ungünstig angesehen werde. — Er selbst sah die Lage nicht so kritisch und glaubte, daß auch ein Ausweg zu finden sei, wonach S. M. im Lande bleiben könne.

Mehrfach würde auch in Erwägung gezogen, S. M. wenn schon nicht als König, so doch als Privatmann im Lande zu behalten, bis die Situation Sr. M. gestatte, die Regierung zu übernehmen, wie dies S. M. selbst in seinem Telegramm an Horthy vorgeschlagen habe.

Im allgemeinen war aber aus den verschiedenen Hughes-Gesprächen zu entnehmen, daß Budapest die Abreise Sr. M. als unbedingt feststehend ansah und sie mit allen Mitteln beschleunigen wollte, während man in Szombathely noch immer darauf rechnete, daß S. M. im Lande bleibe.

Gratz meinte:

Das angebliche Ultimatum der Kleinen Entente sei kein Ultimatum, da es weder befristet sei noch ankündige, welche Folgen die Nichtfolgeleistung haben werde, sondern einfach nur verlange, daß S. M. sofort das Land verlasse.

Uebrigens haben nur die Jugoslawen mündlich vorgesprochen und die anderen sich ledig-:h angeschlossen.

Der Protest der Vertreter der Großen Entente beruhe auf Instruktionen, die sie vor langer Zeit erhalten haben. — Man müsse doch abwarten, wie sich die Große Entente in der Folge stelle.

Nachmittags rief mich Horthy persönlich zu Hughes. Es entspann sich nachstehendes Gespräch:

„Hier Horthy. Wer ist heute nach Budapest gereist?“

„Hier Lehär. Heute sind Teleki, Bethlen, Andrässy und die Sekretäre abgereist, Gratz und Hegedüs sind geblieben.“

„Bitte, gib mir ein Situationsbild. Wo befindet sich S. M.? Ist Graf Hunyadi angekommen? Ist irgendein Entschluß bereits gefaßt? Ist nichts vorgekommen, was von der Entente als Unruhe aufgefaßt werden könnte? (Hier war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens.) Von Prag, die mit Bukarest und Belgrad verhandelten, ist uns eine Art Ultimatum überreicht worden. (Unwahr, wurde von der ungarischen Regierung selbst später dementiert.) Truppenkonzentrationen an unseren Grenzen konstatiert. (Unwahr, siehe den Situationsbericht des Chefs des Generalstabes, den Horthy kennen mußte.) Morgen tritt Parlament zusammen. Abreise ist, um Zusammenbruch zu vermeiden, wenn salvus conductus ankommt, sofort nötig. Die Antwort, daß Seine Majestät zurückkehren kann, ist glücklicherweise heute angekommen. (Aber unter welchen Bedingungen, wurde Sr. M. verschwiegen!) Oesterreich garantiert Passage. Auch Entente-Diplomaten sind bereit, Sauvegarde zu stellen. (Man vergleiche diese rührende Fürsorge Horthys mit seiner Rücksichtslosigkeit, mit der er seinen König der Nachtfahrt von Budapest nach Szombathely aussetzte.) Bitte Antwort.“

Ich: „In Szombathely absolut normaler Zustand. Gar keine Beunruhigung, Hunyadi eben angekommen. Gar nichts vorgekommen, was von der Entente als Unruhe aufgefaßt werden könnte. Entschluß Sr. M. bringt Teleki mit. Mir Wortlaut nicht bekannt. Soweit ich weiß, rechnet S. M. auf E. D. als Offizier und Admiral, der in der Tradition einer vielhundertjährigen, ruhmreichen Armee aufgewachsen ist.“

Horthy: „Wo ist momentan S. M.? In Szombathely oder in Körmend?“ .. . ,

„S. M; bleibt im bischöflichen Palais;-fn Szom-bäthley.“

Hierauf gab noch Sigray eine ziemlich scharfe

Aeußerung über die von Budapest aus verfügten Polizeimaßregeln ab, die er als Budapester Kopflosigkeit bezeichnete.

An dem Tage war Graf Hunyadi angekommen und hatte ein rührendes Wiedersehen mit Sr. M. Er brachte ein Schreiben von Horthy an S. M. und zeigte mir auch einen Brief, den Horthy an S. M. gerichtet hatte. — In diesem versprach Horthy, falls S. M. das Land sofort verlasse, für seine Zivilliste Sorge zu tragen! Das heißt, er werde diesbezüglich mit den Nachfolgestaaten ein Abkommen anregen!

Dieser Brief war, nach dem S. M. das Verlassen des Landes förmlich abgekauft werden sollte, für S. M. so kränkend, ja verletzend, daß Hunyadi diesen Brief S. M. gar nicht zeigte. — Jedenfalls ist die von Budapest lancierte Einstellung, als ob S. M. durch die Reise irgendeine Besserung der finanziellen Situation bezweckt oder gar erreicht hätte, absolut unwahr.

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, den 1. April, kam Rakovszky mit Lingauer aus Budapest an. — Rakovszky war ungemein heftig und klärte mich dahin auf, daß Budapest gar nicht daran denke, auf den gekrönten König irgendwelche Rücksicht zu nehmen. — Wenn ich 10.000 Mann habe, so solle S. M. in Szombathely ein Ministerium ernennen, den alten Reichstag und das Magnatenhaus nach Szombathely einberufen und hier eine Gegenregierung durchführen und gegen Budapest marschieren. — Wenn nicht, so solle S. M. das Land verlassen, denn von Budapest sei nicht das geringste Verständnis für die heilige Stefanskrone und den gekrönten König zu erwarten.

Als ich ihm erwiderte, daß S. M. das Land nur dann verlassen werde, wenn man ihn dazu mit Brachialgewalt zwinge oder die Bajonette der Entente vor dem Hause erscheinen, antwortete Rakovszky, es gebe noch einen dritten Fall. Man werde den ganzen Presseapparat in Tätigkeit setzen und den ganzen Propagandaapparat dazu benützen um dem Volke zu zeigen, in welche ungeheure Kriegsgefahr es durch König Karl gestürzt würde, und man werde dem Volke die Gefahren der Kriegsgreuel so lebhaft schildern, daß die treuesten Anhänger S. M. sich gegen ihn wenden werden und S. M. vor seinem eigenen Volke werde fliehen müssen...

Rakovszky kennt offenbar seine Leute in Budapest.

Im Laufe des Donnerstagabends war auch der langjährige Botschaft' -von Paris UHd' London,j

troffen und hatte sich S. M. zur Verfügung gestellt.

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