6716571-1964_45_08.jpg
Digital In Arbeit

Konferenz auf hoher See

Werbung
Werbung
Werbung

Als an einem feuchten Oktoberabend das dänische 5000-Tonnen- Motorschiff „Bornholm“ nach viertägiger Kreuzfahrt im Kattegat wieder am Kai Lange Linie in Kopenhagen anlegte, da hatten die „Passagiere“ des Schiffes nicht nur das Erlebnis der ersten großen ökumenischen Kirchenkonferenz auf einem Schiff hinter sich, da hatte auch die Sache der Ökumene in Europa einen großen Schritt nach .vorne getan. Auf der „Bornholm“ hatte sich die Konferenz Europäischer Kirchen, oder, wie sie nach ihrem langjährigen Tagungsort auch oft genannt wird: die Nyborg-Kon- Jerenz, eine feste Verfassung gegeben, die aus der bisherigen losen Arbeitsgemeinschaft, die kaum mehr .war als ein Diskussionsforum, eine paneuropäische Gemeinschaft nahezu aller nichtkatholischen Kirchen mit einer klaren Bekenntnisgrundlage und deutlich abgesteckten Zwecken und Zielen formte. Protestantische, orthodoxe, anglikanische und altkatholische Kirchen aus dem Osten und dem Westen Europas, von Moskau bis Madrid und von Stockholm bis Bukarest, haben sich, wie es in der Satzung heißt, zusammengefunden zu einer „ökumenischen Gemeinschaft von Kirchen Europas, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen Sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Und sie sehen als Zweck ihrer Arbeit, „bei regelmäßigen Zusammenkünften Fragen, die die Kirchen in Europa angehen, zu erörtern und sich gegenseitig zu fördern in dem allen Kirchen aufgetragenen Dienst in der gegenwärtigen europäischen Situation“.

Dieser entscheidende Beschluß IV. Nyborg-Konferenz bedeutet den Abschluß des ersten Stadiums des Begegnungsprozesses der ‘europäischen nichtkatholischen Christenheit. Er begann genau genommen in den fünfziger Jahren mit -den verschiedenen, damals sehr mißtrauisch beobachteten Besuchsreisen westlicher Kirchenmänner und -delegationen in den Osten und nahm erstmals etwas konkretere Gestalt an, als 1958 bei der Einweihung der lutherischen Trinitatiskirche in Warschau Vertreter der verschiedensten Kirchen aus ganz Europa Gedanken über eine paneuropäische Kirchenkonferenz austauschten, die dann Anfang 1959 in Nyborg (Dänemark) zum erstenmal wirklich zusammentrat. Von da an war es freilich noch immer ein weiter Weg bis zu dem Beschluß auf der „Bornholm“. Man muß sich, um das zu verstehen, nicht nur darüber klar sein, welches Mißtrauen zwischen West und Ost da mals noch herrschte und wie verschiedene Sprachen man in den beiden Hälften Europas sprach, sondern auch darüber, wie unterschiedlich die Kirchen, die da zusammen kamen, auch abgesehen von den politischen Trennungslinien waren. Vertreter der alten, traditionsbewußten orthodoxen Kirchen saßen neben denen der kleinen, jungen informatorischen Kirchen aus den romanischen Ländern Europas, die großen geschlossenen lutherischen • Staatsjtirchen Skandinaviens waren ebenso vertreten wie die kleinen MmdevheitS- und Diasporakirehen im Osten und Südosten Europas, der anglikanische Bischof saß neben dem Vertreter einer menno- nitischen oder baptistischen Freikirche.

Alle diese Dinge muß man sehen, wenn man die Tatsache recht würdigen will, daß sich fünf Jahre später die gleichen Kirchen zu einer festen Gemeinschaft unter einer Satzung mit klaren Zielen zusammenschließen, auch wenn diese Gemeinschaft natürlich weit entfernt ist von irgendeiner Form von Union oder Bindung an eine Zentralgewalt, ja solche Formen gar nicht einmal intendiert. Entscheidendes Faktum ist, daß die europäischen Kirchen mit dieser Satzung einen unübersehbaren und deutlichen Schritt in Richtung auf eine wahrhaft ökumenische Gemeinschaft und brüderliche Verbundenheit getan haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung