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Rauschgift: Pest unserer Zeit

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Europa und Amerika erleben gegenwärtig eine regelrechte .Rauschgiftschwemme”. Viele in Süd- stasien stationierte USA-Soldaten und in Europa lebende farbige Amerikaner sind, wie heuer wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, süchtig. Das gilt auch für eine unbestimmbare Dunkelziffer intellektua- [istischer Gammler in Europa. Sie erhalten die bunten Träume oft von orientalischen Studenten oder Gastarbeitern, die dadurch ihr Budget aufbessem. Das gibt dem folgenden Bericht seine Bedeutung:

Die ägyptische Regierung hat kürzlich angeordnet, daß das Einschmuggeln von Rauschgift nach Ägypten künftig mit dem Tode bestraft wird. Auf Kauf und Verkauf von Rauschgift sowie Anbau von Pflanzen, die zu seiner Herstellung dienen, steht lebenslange Zuchthausstrafe. Die neue Verordnung wurde von dem monatelangen Kampf der Behörden gegen den organisierten Rauschgiftschmuggel ausgelöst, in dessen Verlauf vier Polizisten ums Leben gekommen waren.

„Al-Azhar” — die 972 gegründete, älteste muselmanische Universität — erließ jetzt eine „Faitwa”, durch die alle Rauschgiftschmuggler automatisch aus der religiösen Gemeinschaft ausgesitoßen werden. Das ist die vorläufig letzte Maßnahme gegen den alarmierend zunehmenden Ra’’”“h- giftmißbrauch.

Die Seuche des Ostens

Das Rauschmittel Haschisch — bekannt auch als Bhang, Charras, Chira, Dagga, Ganja, Kif, Maconha, Marihuana und Takrourl — ist die verbreitetste Seuche des arabischen Nahen Ostens. Die Ägypter gaben

1958 zwölf Prozent ihres Nationaleinkommens dafür aus, das waren etwa 100 Millionen ägyptische Pfund (960 Millionen DM). Amtliche Zahlen wurden seitdem — aus guten Gründen — nicht mehr veröffentlicht.

Schon 1956 schätzte ein höherer Polizeioffizier, mindestens 400.000 Menschen seien süchtig, und weitere

500.000 seien drauf und dran, es zu werden. Ausländische Experten halten diese Zahlen sogar für zu gering.

Die Wirklichkeit spiegelt sich in einer anderen Statistik: 1953 wurden 1342 Ägypter angeklagt, sich gegen e Rauschgiftgesetze vergangen TU haben; 1956 waren es schon 3469. Seitdem werden jährlich durchschnittlich 500 Rauschgifthändler zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt. Das sind beängstigende Zahlen.

Der Haschischgenuß wuchs in letzter Zeit erheblich nicht nur bei den Erwachsenen. Vor allem bei jugendlichen Konsumenten zeigen sich besorgniserregende Zuwachstendenzen. Nach ägyptischen Pressemeldungen erfreut sich die Droge steigender Beliebtheit bei Studenten und Schülern. Das hat erstaunlicherweise auch auf Europa und Amerika verheerende Auswirkungen.

743 Wehrpflichtige wurden be: Routineuntersuchungen von amerikanischen Miütäräraten ate Rausch giftsüchtige ermittelt. Ein Pariser Gericht verurteilte fünf Angeklagte, darunter zwei Berufsdiplomaten, wegen Schmuggels von 400 Kilogramm Rauschgift zu drei- bis fünfjährigen Freiheitsstrafen. Interpol kennt längst die Hauptursachen für das Umsichgreifen der Seuche. Die jugendlichen Süchtigen werden nicht fertig mit der Wohlstandsgesellschaft. Sie haben Langeweile, wissen nichts anzufangen mit der größer gewordenen Freizeit. Sowohl viele jugendliche ausländische Pseudo Clochards an den Seinequais als auch manche Amsterdamer Provos sind, wie die Polizei feststellte, rauschgiftsüchtig.

Die beängstigende Zunahme des Lasters liegt aber auch daran, daß es sich neue Quellen erschließen konnte. Viele Studenten aus arabischen Ländern, die nur über kärgliche Staatsstipendien verfügen, schmuggeln mehr oder weniger große Haschischmengen nach Europa, um sich von deren Erlös ein angenehmeres Leben zu machen. Diese Amateurschmuggler, die natürlich keiner internationalen Verbrecher- organisation angehören und meistens auch kein festes Kundennetz haben, sind schwer zu fassen. Ihre Haupt kundschaft stellen in Deutschland die Gammler. Nach Polizeistatistiken steigt besonders bei ihnen der Marihuanamißbrauch sprunghaft an.

Eine merkwürdige Quelle

Die Süchtigen flüchten in die käufliche Traumwelt nicht nur wegen drückender politischer Unfreiheit und mangelnden sozialen Fortschritte in ihren Heimatländern. Überraschende Hauptursache Ihre?1 Krankheit ist etwas anderes.

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