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Spricht der Vatikan mit Peking?

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Vor kurzem war „Die Zukunft der Religionen“ Gesprächsthema prominenter Gelehrter aus Europa, Südamerika und Japan. Ihre Debatten bezogen sich auch auf Auseinandersetzungen mit nichtchristlichen Religionen und Gebieten. Die Kulissengespräche betrafen auch die Aussichten einer nichtoffiziellen Kontaktaufnahme des Vatikans mit Rotchina.

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Vor kurzem war „Die Zukunft der Religionen“ Gesprächsthema prominenter Gelehrter aus Europa, Südamerika und Japan. Ihre Debatten bezogen sich auch auf Auseinandersetzungen mit nichtchristlichen Religionen und Gebieten. Die Kulissengespräche betrafen auch die Aussichten einer nichtoffiziellen Kontaktaufnahme des Vatikans mit Rotchina.

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Zwischen nicht religionsfeindlichen Äußerungen Mao Tse-tungs und dem bisherigen Verhalten rotchinesischer Instanzen in religiösen Fragen klaffen allerdings große Unterschiede. „Die Religionen“, sagte Mao, „gehören in den Bereich des .Idealismus', und man kann keinen zwingen, den ,Idealismus' aufzugeben.“ Mao Tse-tung, vom Vater buddhistisch und von der Mutter konfuzianisch erzogen, hat wiederholt erklärt, daß der Geist die Materie formt. In der Praxis haben seine Lehren zur Schaffung einer Art Pseudo-Religion geführt, was bei Kontaktaufnahmen mit Peking in religiösen Fragen zu berücksichtigen ist. Schon vor längerer Zeit erklärte Papst Paul VI., daß er bereit sei, mit den rotchinesischen Führungsgremien Gespräche zu führen. Gute China-Kenner haben den Eindruck, daß trotz vieler heftiger Angriffe fanatisierter Mao-Anhänger gegen die Kirche führende Maoisten sich über die Bedeutung und die Macht der Kirche im klaren sind, die dem Maoismus energischer entgegengetreten ist als alle anderen Glaubensgemeinschaften. Viele Chinesen haben für Schwäche und Nachgiebigkeit nur Verachtung übrig. Sie anerkennen daher jedenfalls die Kirche als vollwertigen Gesprächspartner. Nach vergeblichen Versuchen, das Christentum dem Maoismus ^anzugleichen“, bezichtigte man die chinesischen Christen, und in erster Linie die Katholiken, einer unpatriotischen

Haltung und ermahnte sie zur „Ablehnung ausländischer Einflüsse und Direktiven“. Nachdem man viertausend Priester und viele maßgebliche Katholiken einer systematischen Gehirnwäsche unterworfen hatte, schuf man zunächst eine „Patriotische Vereinigung Chinesischer Katholiken“, und dann eine von Rom losgelbste „Chinesische Katholische Kirche“, unter Beibehaltung des äußeren Rahmens der Gottesdienste, mit Liturgien in chinesischer Sprache und von Rom nicht anerkannten Bischofs- und Priesterweihen, was der Vatikan mit Exkommunikationen beantwortete.

Dagegen fiel es Peking nicht allzu schwer, andere Glaubensformen, vor allem verschiedene buddhistische Strömungen ,,um den Finger zu wik-keln“. Hierbei betonte man gewisse Parallelen zwischen Buddhismus und Maoismus. Die Haltung gegenüber Gewaltanwendungen, die der Kommunismus zumindest im Falle sogenannter „unbelehrbarer Gegner“ bejaht, der Buddhismus jedoch verurteilt, bereitete bei dieser „Anglei-chung“ die größten Schwierigkeiten. Man half auch mit vielen Spitzfindigkeiten, wobei die Tatsache, daß sich eine erstrebenswerte Haltung gegenüber der Gewalt nicht allgemeingültig festlegen ließ, dieser „Angleichung“ über die größten Schwierigkeiten hinweg. Der chinesische Koloß mit einem Viertel der Erdbevölkerung, der sich zur dritten Supermacht entwickelt, tritt jetzt immer mehr aus seiner außenpolitischen Isolierung, die mit der Periode der „großen Kulturrevolution“ verbunden war, heraus. Daher werden gerade jetzt die Möglichkeiten eines Dialogs mit Peking sogar über religiöse Fragen, zu dem sich auch Papst Paul VI. bereit erklärt hat, erwogen. Es scheint, daß Peking jetzt bereit wäre, das Gespräch mit dem Vatikan aufzunehmen, jedenfalls lassen Fühlungnahmen des Apostolischen Nuntius in Havanna solches vermuten. Es ist kein Zweifel, daß heute der Heilige Stuhl bereit sein dürfte, zu verhandeln, um diplomatische Beziehungen aufnehmen zu können, denn bekanntlich wurde ja bereits 1964 der Kirche in Ungarn jene Autonomie gewährt, welche von den Chinesen seinerzeit gefordert wurde. Es ist also durchaus möglich, daß im Rahmen der bevorstehenden Ostasieri-reise des Heiligen Vaters, dieser in Karachi oder Saigon (wo angeblich der Flug unterbrochen werden soll) Gelegenheit finden wird, sich mit den heute noch „irregulären“ chinesischen Bischöfen zu treffen, um mit diesen den ersten Schritt zur Versöhnung zu tun. In diesem Sinne läßt daher die Reise des Papstes nach den Philippinen viele Möglichkeiten offen, wobei man auch nicht vergessen darf, daß es erst in allerjüngster Zeit zu einer Erklärung des vatikanischen Beobachters bei den Vereinten Nationen kam, wonach bis November 1971 Rotchina Mitglied der Vereinten Nationen sein dürfte.

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