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In diesem Jahre fällt eine der wichtigsten Entscheidungen für die italienische Politik der nächsten Jahre: die Gemeindewahlen. Besorgnisse sind am Platz. Man kann sie nicht zuletzt aus der Lage in Südtirol ablesen.

Ein bekannter italienischer Journalist hat vor einiger Zeit behauptet, daß es in Südtirol „nur eine verschwindende Minderheit von Kommunisten“ gebe. Den Beweis für diese Behauptung ist er schuldig geblieben.

Wie steht es nun wirklich damit?

Bei den Regionalwahlen im Jahre 1948 hatten die vier Linksparteien, und zwar die Kommunisten, die Linkssozialisten (Nenni-Sozialisten), die unabhängigen Sozialisten und einige sozialdemokratische Splitterparteien (Unitä popolare) einen Block geschlossen. Dieser Volksfrontblock erreichte damals insgesamt 13.229 Stimmen, das ist 7,60% aller Wählerstimmen in Südtirol.

Die christlichen Demokraten hingegen erreichten 37.487 Stimmen oder 21,70%.

Bei den Kammer- (Parlaments-) wählen im Jahre 1953 stellte jede der vier Linksparteien eine eigene Liste auf; alle vier zusammen erreichten 21.340 Stimmen oder 11,61% der Wähler, und zwar: Kommunisten 8021 Stimmen oder 4,06%, Linkssozialisten (Nennisozialisten) 11.528 Stimmen oder 5,84%, Unabhängige Sozialisten 1857 Stimmen oder 0,94% und die Liste der eigentlichen Volksfront 389 Stimmen mit 0,20%.

Während die christlichen Demokraten trotz des Bevölkerungszuflusses aus dem Sü'den, der die italienische Bevölkerung von 1948 bis 1953 von 64.000 auf 79.000. also um rund 15.000'Personen, anschwellen ließ, nicht weniger als 2669 Stimmen oder 4,32% der Wählerstimmen verloren, stieg in der gleichen Zeit die Liste der Linksparteien um 8111 Stimmen oder 4,01%;

Aehnliche Vorteile zogen auch die radikalen bürgerlichen Parteien aus der Zuwanderung. Der sogenannte „Nationale Block“, bestehend aus den Neofaschisten und Monarchisten, konnte im Jahre 1948 nur 3272 Stimmen oder 1,90% erringen, bei den Kammerwahlen 1953 dagegen erhielten die Neofaschisten allein 9466 Stimmen oder 4,79%, die Monarchisten 4730 Stimmen oder 2,39%, beide Parteien zusammen also 14.196 Stimmen oder 7,18%; das ergibt einen Zuwachs von 10.924 Stimmen oder 5,28%.

Interessant ist es, an Hand der offiziellen Wahlstatistik festzustellen, an welchen Orten sich die kommunistischen Stimmen am meisten vermehrten. Es ergibt sich, daß in Bozen, wo rund die Hälfte aller Italiener Südtirols leben, von den 36.051 Wahlberechtigten 10.279 kommunistische Stimmen, d. s. 28,8% aller italienischen Stimmen abgegeben wurden. In Meran waren 27% der italienischen Stimmen kommunistisch,-in Brixen 21%; auch jene Gemeinden, die schon früher starken italienischen Bevölkerungseinschlag hatten, „enttäuschten“ natürlich nicht: Leifers stellte 30%, Branzoll 27%, Franzensfeste (der Eisenbahnknotenpunkt mit den meisten italienischen Eisenbahnern) 26%, und in Toblach 22% linksextreme Stimmen. Noch deutlicher sprechen die Zahlen einzelner Wahlsektionen. In den zwölf Wahlsektionen, die die italienische Industriezone Bozens umfaßt, wurden 46% der italienischen Stimmen für die linksextremen Parteien und 62% der Stimmen pcor^t tji> Regierung abgegeben. In der Industrie-2(w selbst erhielten die Linken sogar 50% aller ita,;en'schen Stimmen.

Aufschlußreich ist das niederschmetternde Ergebnis eines Experimentes, das die Kommuni' sten anläßlich der Landtagswahlen in Südtirol im Jahre 1952 versuchten. Sie wollten mit viel Geschrei und viel Geld auch unter der deutschen Bevölkerung eine deutsche Kommunistische Partei bilden. Insgesamt erreichte diese deutsche kommunistische Gruppe bei der deutschen Bevölkerung Südtirols 609 Stimmen, also 0,5% aller deutschen Stimmen... Davon entfielen auf 'Bozen 1,4%, auf Meran 2,3%, auf Brixen 0,6%, Branzoll 0,2%, Leiters 1,7%, Franzensfeste 1,2% und Toblach 0,1% (von 933 deutschen Wahlberechtigten eine einzige Stimme!) Man hat also hier vergebens versucht, auf die Bergbauern und die Arbeiter einzuwirken. Zum Unterschied von den Italienern scheint in Südtirol jeder Deutsche von vorneherein zu wissen, was er von solchen Versprechungen zu halten hat.

Die Untersuchung der Wahlergebnisse wäre nicht vollständig, wenn wir nicht auch die Stimmen der Südtiroler Volkspartei bei den Wahlen 1948 und 1953 erwähnten: 1948 wählten die Edelweißliste der Volks'partei 108.588 Wähler und erhielten damit noch 62,80% aller Stimmen; im Jahre 1953 bei den Kammerwahlen wurden 118.412 Edelweißstimmen gezählt, also wohl um 9824 Stimmen mehr — trotzdem aber nur noch 59,94% aller Stimmen!

Der Rückgang im Verhältnis zur Gesamtstimmenzahl erklärt sich durch die immer weiter schreitende Unterwanderung aus den italienischen Provinzen. Die amtliche Statistik der Region Südtirol-Trentino aus dem Jahre ,1952 weist am 1. Dezember 1921 eine Bevölkerungszahl von 254.735 Einwohnern, am 1. November 1952 eine Bevölkerungsziffer von 341.072, also einen Bevölkerungszuwachs von 87.337 auf.

Rechnet man nun, daß rund 70.000 Südtiroler abgewandert und nur höchstens 20.000 zurückgekehrt sind, so bedeutet dies eine Verminderung der deutschen Bevölkerung um 50.000, die durch den Geburtenzuwachs auf 35.000 bis 40.000 herabgemindert wird. Die italienische Bevölkerung hat sich dagegen ständig vermehrt, wie aus den folgenden amtlichen Zahlen hervorgeht. Im Jahre 1921 zählte man bei einer Gesamtbevölkerung von 254.935 nur 24.583 Italiener, 1931 waren es 291.064:56.508, 1936 schon 329.118:60.000. Von da ab setzen die amtlichen statistischen Daten über die Nationalitätenzugehörigkeit aus und wurden nur noch die Gesamtziffern der Bevölkerung gezählt. Man darf aber 1951 von 341.072 Einwohnern bereits 120.000 Italiener schätzen. Heute dürften 130.000 bis 135.000, also ungefähr ein Drittel der Bevölkerung, in Südtirol wohnen.

Der italienische Abgeordnete F a c c h i n hat unlängst in einer öffentlichen Versammlung in Bozen erklärt, daß das Ziel jeder Regierung sein müsse, in Bozen allein mindestens 80.000 Italiener anzusiedeln, um so die deutsche Majorität zu brechen und den deutschen Charakter der Stadt vollständig auszulöschen. In Meran und in Brixen, ja sogar in Bruneck und in Sterzing liegen die Verhältnisse ähnlich, obwohl in den beiden letzten Städten der bäuerliche Einfluß noch von weit größerer Bedeutung ist, da die Italiener sich nur in größeren Städten und Ortschaften an den Eisenbahnen ansiedeln.'

Angesichts dieser (amtlich verbürgten) Stimmenbewegung ist es unverständlich, daß die italienischen Mitte-Parteien diese Zuwanderung aus den alten Provinzen, die nur den Radikalismus, vor allem aber die Werbekraft und Ausbreitung des Kommunismus stärkt, mit allen Mitteln fördern. Wie. empfindlich dagegen reagieren dieselben Kreise auf jeden Artikel und auf jedes Wort über Südtirol im Auslande und noch heftiger natürlich auf jede, wenn auch noch so gerechte Forderung des Südtiroler Landtages!

AI* der neugewählte Landeshauptmann von Südtirol, Ing. Pupp, in seiner Antrittsrede die Aufmerksamkeit des Auslandes auf Südtirol lenkte, wo Italien seine Verpflichtungen aus dem Abkommen Gruber-Degasperi bis heute nur unbefriedigend einhalte, wurde gleich von Hochverrat gesprochen; die Frage Südtirols sei einzig und allein eine innere Angelegenheit Italiens. Der Führer der neofaschistischen Partei in Bozen erklärte sogar vor einiger Zeit im Radio, es sei an der Zeit, mit diesem Abkommen endlich Schluß zu machen und die Politik Mussolinis fortzusetzen.

Man wird gut tun, in allen Ländern — nicht nur in Oesterreich — diese Entwicklung, die. schließlich ganz Europa berührt, aufmerksam zu verfolgen.

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