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Vom Wahnsinn der Asylpolitik: Der "Caritas-geschulte" Innenminister wird schon als "Ersatz-Haider" apostrophiert. Wenige begehren auf. Auch die katholische Kirche hält sich, weil es politisch opportun ist, zurück.

Ernst Strasser habe "offenbar seine Lehre in der Caritas gemacht". So schimpfte Jörg Haider im Herbst 2000 auf den Innenminister ob seiner Asylpolitik. Es ist nicht bekannt, ob diese behauptete Caritasnähe bis nach Rom drang ist, um dort mit Wohlwollen aufgenommen zu werden. Bekannt ist dagegen, dass dem Innenminister letzte Woche vom Apostolischen Nuntius der päpstliche Gregoriusorden an die Brust geheftet wurde, unter anderem - die Furche berichtete - wegen Strassers "Sorge um eine gerechte Integration von Fremden in Österreich".

Des Vatikans Mühlen mahlen langsam. Mitunter zu langsam: Denn mitten im schweren Asylpolitik-Konflikt zwischen Innenminister und Caritas samt anderen NGOs war die lang geplante Ordensverleihung mehr als pikant. Die Auseinandersetzungen spitzten sich weiter zu, als bekannt wurde, dass das Ministerium - in Sachen schnellster Rückführung möglichst vieler Asylwerber in ihre Heimat - mit den Hilfsorganisationen zwar verhandelte, längst aber ein deutsches Privatunternehmen für die "Rückkehrerberatung" in petto hatte. Kein Wunder, dass sich Caritas-Präsident Franz Küberl von Strasser "papierlt" fühlte.

Für den Rechtsideologen Andreas Mölzer mutierte der als "links" verschriene Minister gar zum "Ersatz-Haider". In seinem Organ Zur Zeit ärgert sich Mölzer lediglich darüber, dass Strasser in der Ausländerfrage nun "genuin-freiheitliche" Themen abdeckt.

Wahlkampf ist. Da wird geklotzt und gehobelt. Die Menschenrechtsorganisationen und die christlichen Hilfswerke wollen bei den großen Strichen, mit denen Strasser & Co die Asylpolitik neu malen, aber partout nicht mitmachen: "Man sieht einem Menschen nicht an der Nasenspitze an, ob er vor Verfolgung geflohen ist oder nur' aus tristen Lebensumständen", meint Michael Chalupka, Direktor der evangelischen Diakonie. Gerade zur Unterscheidung der Gründe gebe es ja das Asylverfahren. Dass nun ein Schnellverfahren kommen soll, empört Chalupka: "Faire Asylverfahren auf der Straße sind nicht möglich." Ein auf die Straße Stellen - wie seit Anfang Oktober - bringe niemanden nach Hause: "Die Leute tauchen unter, arbeiten schwarz, wandern weiter, sind schutzlos jeder Art der kriminellen Ausbeutung ausgesetzt."

Viele Flüchtlingsbetreuer erzählen ähnliche Geschichten: "Die Leute, die zu uns kommen, haben nichts zu verlieren", so Barbara Greinöcker, Leiterin des Karwan Hauses der Wiener Caritas: "Sie lassen sich auch nicht überreden' zurückzukehren, da haben sie schon viel zu viel mitgemacht." Greinöcker berichtet von Flüchtlingen aus Georgien oder Armenien - beides Länder, die nach den neuen Richtlinien als so sicher gelten, dass Asylwerber von dort nur mehr in Ausnahmefällen in die Bundesbetreuung kommen: "In diesen Ländern herrscht Anarchie, es gibt keine Rechtssicherheit; zu uns kommen Leute, die man mit vorgehaltener Waffe aus der Wohnung vertrieben hat, oder deren Tochter vergewaltigt wurde, und die große Angst haben, in ihre Heimat zurückzukehren." Gerade solche Erfahrungen machen Greinöcker bei derRede von "Wirtschaftsflüchtlingen", die sich hierzulande ein schönes Leben erwarten, zornig. Wie alle Flüchtlings-Einrichtungen in Wien platzt auch das Karwan Haus aus allen Nähten: Bis zu 40 Flüchtlinge müssen im Keller hausen; Bedarf: stark steigend.

Der nahe Winter macht die Lage prekärer und lässt die durch den Wahlkampf verhärtete Linie in der Asylpolitik noch frivoler erscheinen. Nicht nur die Initiative von Hilfsorganisationen bis Pfarren ist notwendig, auch die politische Courage der gesellschaftlichen Institutionen wäre dringend gefragt.

Eindeutige Worte nötig

Wann, wenn nicht jetzt, geht es ums politische Auftreten der christlichen Kirchen? Immerhin hat sich der Ökumenische Rat der Kirchen vor einigen Tagen hinter die asylpolitischen Forderungen von Caritas und Diakonie gestellt.

Ob diese Stimme im Vorwahllärm gehört wird? Zweifel sind angebracht. Zumindest wäre ein eindeutiges Wort der Spitze der größten Konfession, der katholischen Kirche, zusätzlich vonnöten. Hat sich aber in den letzten Tagen ein katholischer Bischof, gar nicht zu reden von der Bischofskonferenz, die Forderungen der "eigenen" Caritas öffentlich zu eigen gemacht?

Bei der katholischen Kirche, die dieser Tagen einmal mehr wegen ihres Verhaltens zur NS-Zeit kritisiert wird, kommt ein weiterer gewichtiger Aspekt, der zum öffentlichen Handeln drängt, ins Spiel.

Ruth Steiner, ehemalige Generalsekretärin der Katholischen Aktion und als Christin mit jüdischen Wurzeln von dieser Diskussion besonders bewegt, bringt das Zögern der katholischen Kirche auf den Punkt: "Nicht zuletzt im Dritten Reich hat die Kirchenleitung geschwiegen, weil es politisch opportun' war." Steiner ist zornig, dass jetzt schon wieder der Mut fehlt, deutliche Aussagen zu machen: "Knapp vor den Wahlen wollen sich die Bischöfe offenbar nicht einmischen. Doch es geht um Menschen die auf der Straße stehen, da dürfen sie nicht schweigen!"

Gerade dem Innenminister aus einer sich als "christlich" verstehenden Partei wären solch klare Worte ins Stammbuch zu schreiben, anstatt zu schweigen, um diese Partei nicht zu vergrämen. Man wirft der katholischen Kirche im Dritten Reich zu Recht vor, zu den NS-Verbrechen zu wenig gesagt zu haben. Was ist heute aber anders, wenn diese Kirche jetzt, in ungleich ungefährlicheren Zeiten, sich erneut die Stimme verkneift?

Ein letztes Argument: Wer den Minister mit einem Orden ehrt, hat die Verpflichtung, gerade von dessen Politik ein besonderes Augenmerk auf die Menschenwürde einzufordern. Auch mitten im Wahlkampf. Ob gelegen oder nicht.

otto.friedrich@furche.at

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