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Die Steine murmeln

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Die Helden sind müde. Wo ist der Elan, die Sturmgewalt jener Zeit geblieben, als der Rammblock der Abstraktion allenthalben morsche Formen zerbrach? So denkt man bei der Betrachtung zeitgenössischer Ausstellungen des In- und Auslandes und in diesen Tagen auch bei Besichtigung der Plastikausstellung der Gemeinde Wien im Stadtpark. In das Bedauern mischt sich die Erkenntnis, einem natürlichen Vorgang beizuwohnen. Die Abstraktion, wo sie sich vollendete, ging bis ans Ende, dorthin, wo es nur noch Wiederholungen, doch kein Fortschreiten gibt. Was sie erkämpfte, dient neuen Strömungen als Nährstoff. Wo heute ernst zu nehmende, der Naturgewalt angenäherte Formen entstehen, vibrieren in ihnen die Geschehnisse der abstrakten Periode.

So ist Franz Fischers „Stehende", eine nahezu lebensgroße Bronze, stärker als Maria Biljan-Bilgers „Heiteres Ornament" in Terrakotta. Fischer ist in dieser Arbeit dem Naturvorbild nahe, ohne es zu plagiieren, während die reizvollen Formen des abstrakten Ornaments der Bilger schon zu gefällig sind. Elisabeth Turolt zeigt einen „Wasserbüffel“ in wuchtiger Schematisierung, die die Idee des Tieres ins Zeitlose erhebt, ihr „Hirsch“, in dem die Schmalheit, das Jagende des rassigen Leibes in der Ruhelage wohl gebändigt erscheint, ist bis auf das fremd wirkende Geweih ebenso einheitlich. Hier, und auch bei Hans Knesls Betonplastik „Liegende", ist das Abstrahieren nicht Selbstzweck, sondern Methode. Wander Bertonis sauber gearbeitete „Abstrakte Komposition“ verblaßt daneben zum Spiel der Zufälligkeiten.

Andreas. Urteil . („Liegender Jüngling“), Rudolf Schwaiger („Liegende"), Fred Gillesberger („Mutter und Kind“), Hannes Haslecker („Ruhende“), Oskar Bottoli („Geschwister“), Gottfried Buchberger („Junges Paar“) und Hilde May („Mutter") suchen in

modernistischer Formensprache zu Verdichtungen zu gelangen, sie haben den Mut zur rechten Absicht, bleiben jedoch mehr oder minder weit von ihren Zielen stecken. Was werden sie in den kommenden Jahren schaffen? Auch auf die Entwicklung von Alexander Wahl, dessen monolithische „Badende“ in herbem Ausdruck Wucht mit fließenden Linien, das in sich Ruhende statischer Plastik mit der Polarität des über sich Hinausweisens vereinigt, darf man gespannt sein.

Die kolorierten Flachreliefs von Leopold Schmid, die an Bilderbuchillustrationen erinnern, sagen nichts, und die mit sich selbst im Widerspruch stehenden „Kühe“ von Gabriele Waldert nicht viel mehr, beides wird von den flauen „Freunden" von Siegfried Charoux nicht übertroffen, während die „Reiher“ von Othmar Jarmer als hübscher Schmuck, zum Beispiel für Schönbrunner Anlagen, dienen könnten. Das „Wasserbecken" von Carl Unger zeigt, daß abstrakte Kompositionen, die als Graphik kompromißlos sein mögen, auf das Kunsthandwerk übertragen, häufig jede Kraft verlieren, während hier gefälligere Arbeiten wie das „Wasserbecken“ von Jakob Laub durchaus am Platz sind. Zur „Spielplastik“ von Josef Schari, einer Rutsche aus poliertem Kunststein, ist höchstens zu melden daß sie mit weniger Schmuck schöner wäre — doch jene, auf die es ankommt, die Kinder, benützen dieses Ausstellungsobjekt mit Begeisterung, und vor diesem Votum verstummt der Rezensent beschämt.

Ist auch das große, die Zeit formende Werk im Stadtpark nicht zu finden, so sei die Gemeinde doch Jahr um Jahr für ihr großzügiges Unternehmen bedankt, das den Künstlern Gelegenheit gibt, zu Menschen zu sprechen, die sonst unerreichbar sind. Die Steine schreien nicht, doch sie murmeln von etwas Neuem, das in der Luft liegt.

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