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Ein österreichischer Meister der Holzschnitzerei

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Bald zwanzig Jahre sind verstrichen, seitdem Franz Barwig starb, der am 19. April seinen achtzigsten Geburtstag begangen hätte. Einige seiner Werke haben in den Ausstellunge der letzten Monate die Erinnerung an diesen Meister wieder erweckt, der wohl der bedeutendste Holzschnitzer gewesen ist, der im 20. Jahrhundert in Österreich tätig war.

Schon als Knabe begann der kleine Franz Barwig, der aus einer kinderreichen Kleinbauernfamilie des Kuhländchens stammte, seine Schnitzarbeiten, als Zwölfjähriger schnitzte er bereits die Krippenfiguren für die Kapelle in Neutitschein und als Sechzehnjähriger wagte er sich schon an lebensgroße Heiligenfiguren und wurde durch seine künstlerische Arbeit der Er. halter seiner in drückender Not lebenden Familie. Einige Jahre später erwirbt sich Barwig, der bisher aus sich heraus, ohne künstlerische Anleitung gearbeitet hatte, an der Wiener Kunstgewerbeschule die notwendige technische und künstlerische Ausbildung und erhält, verhältnismäßig jung, als Professor die Leitung der Holzbildhauerklassen dieser berühmten Kunstschule. Die Vertrautheit mit dem Material, die er sich schon als Kind erworben hatte, führte dazu, daß sich Barwig sehr bald einen höchst eigenartigen Stil des Holz-

schnitzens zurechtlegte, der seinen Ruf weit über die Grenzen Österreichs hinaustrug. Treffsicher schneidet er menschliche Gestalten und Tierfiguren aus dem Holz heraus, einfach und edel in der Form, in wenigen breiten Flächen, aber von großer Vitalität erfüllt. Im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts vollzieht sich in seiner Kunst unter dem Einfluß der gotischen Holzschnitzkunst ein bedeutsamer

Stilwandel. Immer klarer erkennt er, daß die formende Kunst des Plastikers aufs innigste mit der Struktur des verarbeiteten Materials ver bunden ist, und bemüht sich, der dem Material ureigenen Gesetzmäßigkeit gerecht zu werden. Im Eichenholz gelangt er zu einem wuchtigen, knorrigen Stil, in Buchsbaumholz und Elfenbein ist er voll Grazie, in dem zarten Lindenholz, das seiner Eigenart besonders entgegenkommt, erreicht er eine außerordentliche Ausdruckskraft.

Bildete die edle Knabenplastik, die in der Ausstellung des Künstlerhauses „österreichische Kunst" ztj sehen war, einen Höhepunkt seiner ersten großen Schaffensperiode, so zeigen die köstlichen bäuerlichen Tanzpaare und die wundervolle Tullner „Krippe“ Barwig auf der Höhe des Könnens. Künstlerische Meinungsverschiedenheiten brachten ihn dazu, nach dem Ende des ersten Weltkrieges seine Professur an der Kunstgewerbeschule aufzugeben und sich ganz und unbeschwert dem eigenen Schaffen zu widmen. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Amerika, der ihm viele Erfolge einbrachte, verlebte Barwig seine letzten Lebensjahre in seinem Studio in Pötzleinsdorf. Von tiefer Tragik war seine letzte Schaffenszeit, wohl die bedeutendste und reifste, überchattet. Immer mehr und mehr vereinsamte er, abseits vom künstlerischen Getriebe dieser Stadt, nur mehr von wenigen Freunden geschätzt und bewundert, von wirtschaftlicher Not bedrängt. Erst nach seinem Tode zeigte eine Gedächtnisschau in der „Sezession“ der Kunstwelt, welch großen Verlust die Kunst durch den allzu frühen Hingang eines ihrer Besten erlitten hatte.

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