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FRANZ GOLDSTEIN ACHTZIGTAUSEND KÜNSTLERSIGNATUREN

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In dem bekannten Berliner wissenschaftlichen Verlag De Gruyter erscheint soeben ein ebenso umfangreiches wie ungewöhnliches Werk der kunsthistorischen Fachliteratur: das internationale „Monogramm-Lexikon“ bildender Künstler. Als Herausgeber dieses Signaturenverzeichnisses figuriert Franz Goldstein, gebürtiger Ungardeutscher, in Wiens südlichem Vorort Rodaun wohnhaft, Besitzer einer ansehnlichen graphischen Sammlung und in Fachkreisen allgemein anerkannter Autodidakt

mit profundem Wissen. „Viele meiner Graphiken aus dem 19. und 20. Jahrhundert sind nur mit Monogrammen signiert“, meint der nunmehr 76jährige Privatmann, der lange Zeit im Wirtschaftsleben tätig war. „Die Namen der Künstler waren nicht ohne weiteres festzustellen, deshalb begann ich 1943, zunächst für eigene Zwecke, einen Katalog anzulegen.“

Studien und vergleichende Arbeiten zur Bestimmung der Monogrammsignaturen führten den Sammler in die Albertina. Dort fand sein Vorhaben Interesse und Förderung. Angesichts der Fülle des Materials fand sich Goldstein bereit, die geplante Kartei nach allgemeinen Richtlinien zu erweitern, um so eher, als das erste Werk über die „Monogrammisten“ der bildenden Künste mit dem Jahre 1850 abschließt. Der folgende Zeitraum war noch nicht bearbeitet.

In mühevollen, konsequenten, systematischen „Suchaktionen“ sah Goldstein Tausende von Bänden durch — Kunstzeitschriften von den programmatischen Periodika der Jahrhundertwende wie „Ver Sacrum“, „The Studio“, „Die Jugend“ und „Pan" bis zu biederen Wochenblättern für Heim und Familie. Dazu noch Monographien, Ausstellungkata

loge sonder Zahl. Als geübter Zeichner fertigte er genaue Kopien der Signaturen für seinen rasch anwachsenden Zettelkatalog mit Namen, Lebensdaten und kurzen Angaben über das Schaffen der einzelnen Künstler.

In allen Wiener Ausstellungen konnte man den alten Herrn mit Notizbuch und Bleistift antreffen, jede Neuentdeckung wurde sorgsam registriert. Das Material für das projektierte Werk füllte bereits einen großen Aktenschrank in der Rodauner Wohnung. Noch lagen keine bindenden Zusagen vor, doch der präsumtive Herausgeber, gesegnet mit der wunderbaren Leidenschaft des Sammlers, widmete sich der Sache ja um ihrer selbst willen und nannte sie schlicht sein „Hobby“.

1959 schließlich erklärte sich der Verlag De Gruyter bereit, das Lexikon zu publizieren. Es umfaßt die Monogramme von rund 18.000 Künstlern aus dem Zeitraum von 1850 bis zur unmittelbaren Gegenwart. Da aber viele Maler, Bildhauer und Architekten im Verlauf ihres Schaffens mit verschieden gezeichneten Monogrammen signierten — allein bei Adolf v. Menzel konnte Goldstein 30 Versionen nachweisen — ergibt sich eine Gesamtanzahl von etwa 80.000 solcher Signaturen.

An diesen Tausenden von Namenszügen läßt sich die Entwicklung der modernen Kunst ablesen. Prominentester Monogrammist der Gegenwart ist natürlich Kokoschka mit seinem „OK“. Wer aber kennt den Meister „D. E.“? So signiert der Sonntagsmaler Dwight D. Eisenhower seine Bilder. Denn auch berühmte Amateure findet man in diesem Lexikon, zum Beispiel Kaiser Franz Joseph, Feldmarschall Conrad und Sven Hedin. Einmal bekam Franz Goldstein auch ein kleines, mit „AH“ gezeichnetes Blatt in die Hand. Der Name war nicht mit Sicherheit zu ermitteln, doch man vermutet, daß der Schöpfer dieser Skizze keine große künstlerische Karriere machte

Die komplizierten Druckkorrekturen allein erforderten viele Monate angestrengter Arbeit. Der Herausgeber bleibt auf dem laufenden und hat bereits zirka 7000 Signaturen für den Nachtrag bereit. Als Autodidakt, im fruchtbaren „Zwischenreich" zwischen dem „Laien" und dem „Fachmann“ angesiedelt, schuf er ein kunsthistorisches Standardwerk. Die Wissenschaft wird „den Goldstein" neben „den Thieme-Becker" und „den Dehio“ einreihen.

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