Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
HANS MANNDORFF / DAS WEITE „FELD“ DER VÖLKERKUNDE
Gründliche eigene Forschungen in „hautnaher“ Berührung mit den Problemen und umfassendes Literaturstudium ergeben die thematische Rampe für die „Angewandte Völkerkunde“ an welcher der Wiener Ethnologe Universitätsdozent Dr. Hans Manndorff zur Zeit schreibt.
Das Werk wird im Bibliographischen Institut Mannheim erscheinen. Der Kommentar des erst 40jährigen Wissenschaftlers: „Ich erstelle Situationsanalysen,
die dazu dienen sollen, Entwicklungsvorhaben richtig und gezielt zu steuern. Natürlich sind sehr weitgespannte Fragenkreise zu behandeln, sie reichen von Untersuchungen über die soziologische Struktur, das Glaubensgut, die Kultur und das historische Erbe der einzelnen Völkerschaften bis zur Beurteilung ihrer heutigen Mentalität und — was sehr wichtig ist! — ihrer ganz unterschiedlichen Wertvor Stellungen uon den Dingen.“ Das Ergebnis solcher Arbeit soll ein Handbuch im vollen Sinn dieses Begriffs werden, ein praktischer Behelf für den Alltag der Entwicklungsprojekte."
Manndorff, aus der Musen- und Villenlandschaft der Hinterbrühl gebürtig, pfeifenrauchender
Repräsentant traditioneller österreichischer Lebensart, war schon sehr oft „im Feld“, wie die Ethnologen sagen. Der Student tat sich einige Monate bei den Rifkabylen um, ehe sich seine Interessen auf Indien und den gesamten süd- und südostasiatischen Raum konzentrierten. 1953 promoviert, führte er im Hochland von Dek- kan einen Forschungsauftrag der UNESCO durch. Schon damals galt es, nicht rein akademische, deskripitive Bestandsaufnahme zu betreiben, sondern im Rahmen eines internationalen Teams gegenwartsbezogene Dokumentation zu schaffen.
Weitere theoretische Vertiefung des gewählten Spezialgebietes erbrachten zwei Stipendien an der „School of Oriental and African Studies“ der Universität London, dann ging es wieder ins Feld, in dieses weite Feld einer so komplexen Wissenschaft, die ziemlich viel Berührungspunkte mit anderen Disziplinen aufweist. Das Ziel war Thailand, wo sich der junge Gelehrte dann drei Jahre aufhielt. Als Resultat seiner Grundlagenforschung verfaßte er noch an Ort und Stelle eine Reihe von Broschüren für Entwicklungshelfer, sie erschienen als amtliche Veröffentlichungen der thailändischen Regierung. Außerdem brachte er aus diesem Märchenreich Siam sein Habilitationsthema mit nach Hause. Es lautet: „Probleme des Kulturwandels bei den Bergvölkern von Nordthailand." Damit erwarb Manndorff 1965 seine Venia legendi an der Universität Wien.
Die offizielle Würdigung seiner Leistungen: der Theodor-Körner- Preis und der Preis der Stadt Wien. In den Vitrinen des Wiener Museums für Völkerkunde findet sich heute so manches Objekt aus dem Reisegepäck des aktiven Hinterbrühlers. Seit 1959 gehört Manndorff diesem Institut als Kustos an und kann auf sein Erfolgskonto einige Großausstellungen buchen, so die Schau „5000 Jahre Kunst aus Indien", die er wissenschaftlich beriet, ferner „Die Volker der zentralasiatischen Gebirgskette“, „Die Naga von Assam“, außerdem lag der museologische Aufbau des neuen Schloßmuseums Matzen in seinen Händen, dort ist er mit der Dauerausstellung „Südostasien" in seinem ureigensten Gebiet.
„Nebenher“ entstand das Buch „Indien — 400 Millionen suchen einen Weg“, läuft die Mitarbeit bei Organisationen für Entwicklungshilfe. Manchmal bereichern ungewöhnliche Begegnungen das vielseitige Pensum, zum Beispiel etwa der Kontakt mit Karl John, dem Hauptdarsteller des in Wien gespielten Musicals „Der König und ich“. Da konnte der Herr Dozent willkommene Hinweise für die richtige Auffassung der Rolle geben. Manndorff lächelt zwischen zwei Zügen aus seiner Holzfällerpfeife. „Auch eine Art der angewandten Völkerkunde!"
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!