Königsmord bei Impotenz

Werbung
Werbung
Werbung

Was haben braune und schwarze Sudanesen, was haben Kamele und Esel auf der Schallaburg bei Melk an der Donau verloren? Die Beauftragten der Niederösterreichischen Landesregierung sind schon seit vielen Jahren bemüht, für die warme Jahreszeit attraktive Ausstellungen in die mit großem Aufwand restaurierte Renaissance-Burg zu bringen. Dabei blickt man ebenso gern in die eigene Kulturgeschichte wie in fremde Länder. Und es wäre doch gelacht, wenn sich nicht auch in einem so exotischen Gebiet wie dem Sudan irgendwelche Österreich-Bezüge finden ließen.

Exotik ohne Gefahr

Erich Pröll vom Linzer Stadtmuseum NORDICO verfügt über die Erfahrungen von 15 Forschungsreisen in das Land am Oberen Nil, nachdem schon früher Hans Hass das Taucher-Paradies am Roten Meer "erobert" hatte. Pröll hat der Reihe nach die Volksstämme des Landes besucht, hat fotografiert, gefilmt und - gesammelt. Es zeigte sich, dass es nur mit größten Schwierigkeiten gelingt, Objekte aus Museen zu leihen. Viel besser zieht man durch die Dörfer und kauft ein. Da hier die Textilmuster, die Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge und Waffen seit Jahrhunderten fast unverändert blieben, da uns alles gleich exotisch erscheint, kann man mit Spürsinn und Beharrlichkeit (und mit Hilfe einiger europäischer und amerikanischer Museen) einen recht umfassenden Eindruck des Landes vermitteln. Große Fotos, wie sie auch im Katalog zu sehen sind, mögen Sehnsucht erwecken, das Land der weiten Wüsten und exotischen Pflanzen, der stolzen Kamele und geduldigen Esel, der schwarzen Zwei-Meter-Männer, der kampferprobten Reiter und der schönen (meist aber verschleierten) Frauen zu bereisen. Doch nach allem, was Forschungsreisende, Diplomaten und Kaufleute berichten, sollte man sich das genau überlegen. Die Hotellerie ist schwach entwickelt, die Gastfreundschaft mancher Volksstämme zwar überwältigend, aber gewöhnungsbedürftig, die Bürokratie unberechenbar und die politische Lage zur Zeit sehr unsicher.

So lädt die Schallaburg zu gefahrlosem Träumen ein. Man erfährt von den seltsamen Bräuchen der tiefschwarzen Shilluk, die ihre Könige zwar mit großer Macht ausstatten, aber auch unerbittlich abberufen. Kein König darf eines natürlichen Todes sterben. Er muss "verschwinden", wird also nächtens überfallen und im Kampf getötet. Wann die Zeit gekommen ist, bestimmen die 50 Frauen, die die nachlassende Kraft seiner Lenden beurteilen können. Sieben Stämme hat Pröll kennen gelernt und weiß von ihnen zu berichten. Mit dem Stamm der Nuba hat Leni Riefenstahl eine reich dokumentierte Freundschaft geschlossen.

Ins europäische Bewusstsein trat der Sudan besonders durch den Mahdi-Aufstand zwischen 1881 und 1898. Der Mahdi, "der Erwartete" war ein islamischer Eiferer, der eine Art von Heiligem Krieg gegen die Engländer entfachte und ihnen verlustreiche Schlachten lieferte. Sie gipfelten 1885 in der Eroberung von Khartoum, bei der General Gordon den Tod fand. Der Mahdi starb fünf Monate später an Typhus, seine Nachfolger konnten das Reich noch bis 1898 halten, als die Engländer die Hauptstadt Omdurman eroberten.

Österreich und Sudan

In die Wirren und die Kämpfe war auch ein Wiener verwickelt, der mit 17 Jahren als Buchhändler nach Kairo gegangen war und schließlich elf Jahre in Omdurman gefangen saß. Slatin Pascha, wie er sich schon lange nannte, schrieb nach seiner abenteuerlichen Flucht ein Buch über seine Erlebnisse und wurde in der Gesellschaft bewundernd herumgereicht - bis zur Königin Victoria. England fühlte er sich fast ebenso stark verbunden wie seiner Heimat, was im Ersten Weltkrieg zu einem inneren Konflikt führte. Er lebte aber berühmt und hoch geehrt noch bis 1932.

Der Siebenbürger Kaufmann Franz Binder leitete 1860 eine große Expedition in den Sudan und lebte dann einige Jahre in Khartoum, wo er auch eine Zeit lang als österreichischer Konsul wirkte. Seine reiche ethnographische Sammlung bekam das Museum in Hermannstadt, das jetzt Leihgaben für die Ausstellung zur Verfügung stellte.

Die Beziehungen Österreichs zum Sudan sind aber nicht nur Vergangenheit. Archäologen arbeiten mit bei der Ausgrabung des antiken Großreiches Kusch, das tausend Jahre als Brücke zwischen Schwarzafrika und den arabischen Ländern bestand und zeitweise auch Ägypten beherrschte. Die OMV beteiligt sich an einem internationalen Konsortium, das nach Erdöl sucht.

bis 27. Oktober

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung