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Philharmoniker und „reihe“-Konzert

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Im zweiten Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker stellte George Szell Sir William Waltons „Variationen über ein Thema von Hindemith" (und zwar aus dem Cellokonzert von 1940) vor: Ein un- gemein solide, mit Geschmack gearbeitetes Werk, das der Komponist zum Zeichen der Bestätigung langer Freundschaft mit seinem deutschen Kollegen diesem widmete. Es ist sozusagen ein fingierter musikalischer Dialog zwischem dem Meister des „Mathis“ (aus der Symphonie erklingt übrigens ein Zitat) und Walton, der seine neun Variationen mit Schlußfuge formal eigenwillig, in vielem jedoch auch von der Arbeit des Freundes inspiriert aufbaut. Eine Zwölftonordnung, Hindemiths ersten zwölf Noten entnommen, dient als Basis, von der aus die tonalen Zentren jeder Variation konstruiert sind. George Szell hat mit den Philharmonikern für dieses Konzert besonders intensiv geprobt: Die klanglich aparte, nuancenreiche Partitur des prominenten englischen Komponisten wurde dementsprechend brillant realisiert, wartete immer wieder mit Überraschungen auf. Etwa im „Slciliano“-Satz voll mediterraner Üppigkeit, im Vivacis- simo, wo Holzbläser und Streicher eine muntere Caccia veranstalten, oder im markanten Finale. — Ausgeglichen, zugleich randvoll mit dramatischer Spannung und Frische und dann kraftvoll bis stürmisch, so präsentierten die Philharmoniker Brahms’ „Zweite" (op. 73), die sie 1877 selbst uraufgeführt hatten. Auch hier merkte man, mit wieviel Souveränität und Elastizität Szell die Musiker leitet, wie er da und dort fast diktatorische Akzente setzt, die Form plastisch modelliert. Mozarts „Kleine Nachtmusik“ (KV 525), leicht, luftig, mit viel Brio und geschmeidigem Streicherklang musiziert, eröffnete das Konzert, für das das Publikum mit stürmischem Applaus dankte.

Einen ungewöhnlichen Abend bescherte das Ensemble „die reihe" unter Friedrich Cerha im Sendesaal. Vor allem die Aufführungen zweier Kompositionen von György Ligeti wiesen diese (nach der sensationell erfolgreichen Uraufführung) auch jetzt, bei der österreichischen Erstpräsentation, als Meisterleistungen aus. „Volumina" scheinen uns als eines der wichtigsten neuen Orgelwerke. Wie in kaum einer anderen Arbeit ist dieses Instrument in vollkommen neuer Weise, mit Clusters, echten dynamischen Schwellmöglichkeiten, gewagten Farbenkombinationen, eingesetzt. Es überrascht immer wieder, wie Ligeti die Register als kompositorische Elemente einzusetzen weiß, wie er aus Strukturen, Farbzuständen und -ent- wicklungen Formen aufzubauen versteht. Zsigmond Szathmary realisierte das Werk in einem Furioso der koloristischen Valeurs. Ungeheuer spannungsgeladen wirkte auch das Cellokonzert, dessen schimmernde Kaskaden und oft nur erahnbare, vorbeigleitende Klangflächen Siegfried Palm technisch perfekt, farbintensiv vorexerzierte. Erst nach einigem Einhören erfaßt man, welchen inneren Balanceakt von höchstem Raffinement der Solist auszuführen hat. Es ist ein Werk des „Understatements“, still, in sich gekehrt; ja die Stille ist stellenweise geradezu als kompositorisches Element, als dialektisches Mittel eingesetzt Die „reihe“ unter Cerha spielte wie stets mit Einfühlung. — Liebenswürdig, voll Eleganz gerieten nach der Pause die „Nocturnes" von Otto M. Zykan und Kurt Schwertsik, sehr durchsichtig und locker musiziert der klangflächige „Salotto romano (Schwertsik), amüsant die geistvolle „Inscene 2“ (Zyklan), alles in allem formschöne kleine Arabesken, die von der „reihe“, Otto M. Zykan am Klavier und den Singer-Singers exakt interpretiert wurden.

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