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Von Haydn bis Schönberg

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Das 2. Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker unter Zubin Metha wurde mit Joseph Haydns Symphonie Es-Dur Nr. 22 eingeleitet, von der niemand weiß, weshalb sie „Der Philosoph“ genannt wird. Sie war zugleich auch das Meisterwerk dieses Konzertes, und es ist vollkommen unverständlich, daß man ihr gelegentlich den herrlichen (ersten) Adagiosatz wegoperiert hat. — Metha hat das Werk mit Einfühlung und Genauigkeit wiedergegeben, auch an Größe und Gewicht fehlte es nicht. — Im Mittelpunkt des zweiten „Philharmonischen“ stand das bereits vor zehn Jahren geschriebene „Bavy-Concerto“ (Konzert für Baßklarinette und Vibraphon mit Begleitung des Streichorchesters) von Paul Walter Fürst. Der Autor, Jahrgang 1926 und seit zehn Jahren Bratschist bei den Philharmonikern, hat eine zünftige Ausbildung auch als Komponist erhalten. Die Kirchenmusiker Hugo Distler und Kurt Thomas waren seine ersten Lehrer, an der Wiener Musikakademie hat er seine Studien vollendet. Das dreisätzige, 17 Minuten dauernde Werk hat gute Proportionen und ist klanglich interessant. Der erste Satz (Allegro) ist ein rhythmisch zu wenig profiliertes Spiel mit Intervallen. Das teilweise zwölftönige Adagio zeigt eine virtuose Führung der Baßklarinette und schwankt zwisd ;n kan-tablen und expressiv-dramatischen Stimmungen. Am Anfang des flotten Finales, das ein wenig an Bartöks „Musik für Saiteninstrumente“ erinnert, steht eine Doppelkadenz, die von Christian Kubasch und Kurt Prihoda virtuos exekutiert wurde. — Den zweiten Teil des Programms bildete die „Sinfonia domestica“ von Richard Strauss.

Otmar Suitner, der gebürtige Innsbrucker und ehemalige Opernchef von Dresden und Berlin, begann das 2. Konzert im Zyklus der Wiener Symphoniker mit dem „Fünf Orchesterstücken“ op. 16 aus dem Jahr 1909 von Arnold Schön-berg. Sie stammen also aus dessen vordodekaphonischer Periode, sind echte „atonikale“ Musik und weisen sowohl auf Bergs „Wozzeck“ wie auf die Klangfarbenflächen Ligetis voraus. Vor allem aber sind die drei ersten Teile („Vorgefühl“, „Vergangenes“ und „Farben“) faszinierende, hochexpressive Musikstücke, kammermusikalisch instrumentiert und in jeder Hinsicht überzeugend. Suitner und die Symphoniker haben sie klangschön und sensibel wiedergegeben. Mit der gleichen Sorgfalt und Elastizität begleiteten sie den 25jährigen russischen Geiger Andrei Korsakow, der das Violinkonzert von Jan Sibelius aus dem Jahr 1905 spielte. Es handelt sich hier um ein spätromantisches, konventionelles Werk, das aber einen so brillanten Solopart hat, daß ambitionierte Geiger immer wieder nach ihm greifen. Und dieser junge Russe kann wirklich alles. Außer über eine stupende Griff- und Bogentechnik verfügt er über einen bemerkenswert schönen Ton, der auch das weniger Noble der Partitur erträglich macht. Die klangliche Balance, die Suitner zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester herzustellen wußte, ist ebenso hervorzuheben wie seine Interpretation der 4. Symphonie von Brahms.

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